Berlin – Der Militärexperte Carlo Masala warnt davor, dass ein militärischer Erfolg Russlands in der Ukraine die Bedrohung für das Baltikum erhöhen würde. Er erklärt: „Sollte Russland in der Ukraine erfolgreich sein und einen beträchtlichen Teil des Territoriums dauerhaft besetzen, halte ich es für möglich, dass sie auf lange Sicht versuchen werden, einen oder mehrere baltische Staaten konventionell anzugreifen“. Er betont auch, dass Russland die Lehre gezogen habe, dass kein Land einen Nuklearwaffenstaat massiv angreifen möchte. Moskau würde sich also die Frage stellen, ob die NATO bereit wäre, eine nukleare Eskalation zu riskieren, wenn Russland konventionell ein relativ kleines Territorium angreift, selbst wenn es sich um ein NATO-Mitgliedsland handelt.
Masala hält einen direkten Angriff Russlands auf Deutschland momentan für relativ unwahrscheinlich. Die russische Logik bestehe darin, dass sie nur die baltischen Staaten angreifen würden und kein weiteres NATO-Mitglied, in der Hoffnung, dass andere NATO-Länder nicht zur Verteidigung des Baltikums eilen würden. Allerdings würde ein russischer Angriff im Baltikum Konsequenzen haben, da die Bundeswehr bald 5.000 Soldaten in Litauen stationieren werde, das größte Kontingent aller NATO-Mitgliedsländer in den baltischen Staaten.
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, warnte bereits zuvor vor der Gefahr eines russischen Angriffs und kritisierte die unzureichende Ausstattung der deutschen Streitkräfte. Er befürchtet, dass Putin kurz- oder langfristig einen begrenzten konventionellen Konflikt mit einem Bündnispartner, also auch mit Deutschland, führen könnte. Er stellt die Frage, ob Deutschland darauf vorbereitet ist und befürchtet, dass die Vorbereitungen dafür schlecht seien.
Auch der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) kritisiert die Umsetzung der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigten „Zeitenwende“. Er ist der Meinung, dass die Bundeswehr noch nicht da ist, wo sie sein müsste, um Russland abzuschrecken. Er erklärt, dass die Bedrohung durch Russland in einigen Jahren real werden wird und dass Abschreckung vor allem durch Masse erreicht wird, also durch eine Erhöhung der vorhandenen militärischen Ausrüstung.