Der Auslandsaufenthalt von Jonathan Sawall: Einblicke in die aktuelle Lage

Jonathan Sawall, ein 21-jähriger Student der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Universität Mannheim, hat sich entschieden, im Herbst für sechs Monate an die Tsinghua-Universität in Peking zu gehen. Diese Entscheidung ist besonders bemerkenswert, da die Teilnehmerzahl deutscher Studierender in China seit der Corona-Pandemie stark gesunken ist. Trotz globaler Herausforderungen spiegelt Sawalls Wahl eine grundlegende Entschlossenheit wider, internationale Erfahrungen zu sammeln und interkulturelle Kompetenzen zu erweitern.

Rückgang deutscher Studierender in China: Eine alarmierende Entwicklung

Laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD haben sich die Zahlen deutscher Studierender in China im akademischen Jahr 2023/2024 auf 3.380 reduziert. Vor der Pandemie studierten jährlich mehr als 8.000 Deutsche in der Volksrepublik. Die Situation ist nicht auf Deutschland beschränkt; auch die Anzahl der Amerikaner, die in China studieren, ist von etwa 12.000 im Jahr 2019 auf weniger als 1.000 gesunken. Der Rückgang des internationalen Austauschs wirft Fragen über die politischen und gesellschaftlichen Implikationen auf, da weniger junge Menschen die Möglichkeit haben, direkte Erfahrungen in einem der wichtigsten Länder der Welt zu sammeln.

Faktoren des Rückgangs

Die isolierten Reisebedingungen während der Pandemie haben erheblich zur sinkenden Studierendenzahl beigetragen. Ole Engelhardt, DAAD-Büroleiter in Peking, erklärt, dass der Zugang für deutsche Studierende während dieser Zeit stark eingeschränkt war. Politische Interessen spielen ebenfalls eine Rolle – China hat begonnen, deshalb gezielt Studierende aus benachbarten asiatischen Ländern, Russland und Afrika zu rekrutieren. Claudia Wessling vom Mercator Institute for China Studies hebt hervor, dass China in einer Zeit, in der Spannungen mit westlichen Staaten zunehmen, alternative Partnerschaften im globalen Süden anstrebt.

Die Bedeutung von China-Kompetenz

Die Abnahme der Austauschstudierenden wird von Experten als problematisch angesehen. Wessling äußert, dass die fehlende Teilhabe zu einer Kompetenzlücke führen könnte, die langfristig Experten fehlen lässt, die über Chinas politische und wirtschaftliche Strategien informieren können. In einer zunehmend globalisierten Welt, in der China eine bedeutende Rolle spielt, ist das Verständnis der kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekte von großer Bedeutung. Wessling betont, dass ohne gut informierte und kompetente Experten die Perspektiven auf China stark eingeschränkt werden könnten.

Der persönliche Ansatz von Jonathan Sawall

Jonathan Sawall ist sich der Herausforderungen bewusst, die sein bevorstehender Aufenthalt mit sich bringt. Neben der akademischen Bildung möchte er auch eigene Erfahrungen in China sammeln. Die Tsinghua-Universität ist nicht nur eine Partnerinstitution seiner Heimatuniversität, sondern gilt als eine der weltweit besten. Der Bewerbungsprozess verlief für ihn reibungslos, und die angebotenen Kurse werden in englischer Sprache gehalten. Dennoch bereitet er sich intensiv auf die kulturellen Unterschiede vor: Er lernt Mandarin und liest Literatur über China aus verschiedenen Perspektiven, um besser zu verstehen, mit welchen Kontexten er konfrontiert wird.

Herausforderungen vor Ort

Die politischen Rahmenbedingungen, die den Aufenthalt in China prägen, können für ausländische Studierende belastend sein. Sawall hat bereits Vorschriften erhalten, die Besuchszeiten und religiöse Aktivitäten betreffen. Diese Regularien können für ihn und andere Studierende als restriktiv empfunden werden. Insbesondere das Thema Religion ist heikel, da die muslimische Minderheit der Uiguren stark unterdrückt wird. Rückkehrer berichten, dass eine Selbstzensur notwendig sein kann, um auch Kommilitonen nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Gleichzeitig wird in akademischen Kontexten häufig ein gewisser Grad an Wissenschaftsfreiheit ermöglicht.

Wahrnehmung von China und Alternativen zum Studium

Ole Engelhardt merkt an, dass europäische und amerikanische Länder aufgrund der kulturellen Nähe bevorzugte Ziele für deutsche Studierende sind. China wird oft als zu fern und wenig zugänglich wahrgenommen, trotz der kulturellen Reichtümer und der wirtschaftlichen Innovationen, die das Land bietet. Historisch gesehen bringt eine intensive Auseinandersetzung mit dem Land tiefe Einsichten in seine kulturelle Vielfalt, die über die kommunistische Regierungsform hinausgehen. Wessling, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren in China studiert hat, fasst zusammen, dass solche Erfahrungen sowohl bereichernd als auch unerlässlich sind, um ein umfassendes Bild von China zu erlangen.

Fazit: Bedeutung internationaler Erfahrungen

Der Rückgang deutscher Studierender in China ist eine besorgniserregende Entwicklung, die sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Folgen hat. Die Perspektiven, die Jonathan Sawall und andere Austauschstudierende gewinnen, sind entscheidend für das Verständnis eines sich rasant wandelnden Landes. In einer globalisierten Welt ist es unerlässlich, dass Studierende die Möglichkeit erhalten, Kompetenzen zu entwickeln, die für künftige interkulturelle Verständigung und Zusammenarbeit notwendig sind.