Datum:
Mittwoch, 16. Dezember 2020,
11 bis 13 Uhr

Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal Saal 2.600

Am 16. Dezember 2020 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung zur geplanten Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts statt. Auf der Tagesordnung standen ein Gesetzentwurf (19/24445) sowie ein Antrag der FDP, der darauf abzielt, die selbstbestimmte Vorsorge in Gesundheitsangelegenheiten zu stärken (19/24638). Unter der Leitung von Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) äußerten neun Sachverständige in ihren Stellungnahmen ihre Meinungen zu diesem umfangreichen Entwurf.

Reformprozess mit historischer Dimension

Der Vorsitzende des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen, Thorsten Becker, bezeichnete den aktuellen Gesetzesentwurf als den bedeutendsten Reformprozess seit der Reform des Vormundschafts- und Pflegegesetzes von 1990. Diese Reform bringt weitreichende Änderungen für Betreuer, Betreuungsvereine, Betreuungsbehörden und Betreuungsgerichte mit sich. Trotz einiger kritischer Stimmen überwogen die positiven Aspekte, insbesondere die Stärkung der Rechte für Menschen im Betreuungsverfahren.

Menschenrechtliche Aspekte im Fokus

Dr. Sabine Bernot von der Monitoring-Stelle der UN-Behindertenrechtskonvention wies darauf hin, dass das Gesetzesvorhaben ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen sei. Besonders betont wurde die Stärkung von Selbstbestimmung und Autonomie für Unterstützungsbedürftige, wodurch der Wille und die Wünsche der betreuten Personen klarer in den Vordergrund gerückt werden. Die Monitoring-Stelle sieht hierin Fortschritte in Richtung menschenrechtlicher Vorgaben.

Berufsbetreuer und ihre Herausforderungen

Kerrin Stumpf, Geschäftsführerin des Hamburger Vereins Leben mit Behinderung, und Walter Klitschka, Vorsitzender des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer, unterstrichen die Notwendigkeit, den Beruf des Berufsbetreuers formell im Gesetz zu verankern. Stumpf forderte Änderungen bezüglich der Entscheidungsfindung der Betroffenen sowie klare Regelungen zum Verbot der Sterilisation. Klitschka verwies auf eine Ungleichbehandlung zwischen freien Berufsbetreuern und Vereinsbetreuern, die ihrer Ansicht nach nicht gerechtfertigt sei.

Entwicklung des Betreuungsrechts

Hülya Özkan, Leiterin eines Betreuungsbüros, lobte den Entwurf als gut gelungen, da er einige lang überfällige Punkte regelt. Die Abschaffung des Aufgabenkreises „Alle Angelegenheiten“ führe zur Beendigung der Entmündigung von Betreuten. Gleichzeitig äußerte sie Bedenken, dass die Betreuer durch den neuen Entwurf zusätzlichen Arbeitsaufwand ohne angemessene finanzielle Entschädigung erfahren könnten. Das geplante Ehegatten-Vertretungsrecht stieß ebenfalls auf gemischte Reaktionen, da es alternative Formen der Regelung für die Entscheidungsfindung bei gesundheitlichen Angelegenheiten geben sollte.

Öffentliche und verfahrensrechtliche Bedenken

Der Gesetzentwurf soll eine neue Struktur im Vormundschaftsrecht schaffen, die den Mündel und dessen Rechte in den Mittelpunkt stellt. Die Reform zielt darauf ab, die Selbstbestimmung der Betroffenen zu fördern und entsprechende Unterstützungsmechanismen zu entwickeln. Die Bundesregierung begründet dies mit der Überholtheit der bestehenden Regelungen, die aus der Zeit des Bürgerlichen Gesetzbuchs stammen und die heutige Praxis nicht mehr adäquat abbilden. Vorhandene Qualitätsmängel und ein nicht optimaler Erfüllungsgrad gesetzlicher Vorgaben haben die Notwendigkeit von Änderungen verstärkt.

Fazit: Reform bringt notwendige Änderungen

Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wird als langfristig erforderliche Maßnahme bewertet, um die Rechte der Unterstützungsbedürftigen zu stärken und die Rahmenbedingungen für die Berufsbetreuer zu verbessern. Der Gesetzentwurf setzt klare Schwerpunkte in Bezug auf Selbstbestimmung und Autonomie und könnte grundlegend die Praxis im Betreuungswesen verändern.