Tandemführung: Stressreduktion und Kreativitätssteigerung
Stand: 15.08.2025 10:39 Uhr
Führungskräfte stehen unter hohem Druck und tragen erhebliche Verantwortungen. Die Teilung von Führungspositionen kann eine sinnvolle Lösung sein, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Die Nachfrage nach Digitalexperten
Fränzi Kühne ist eine gefragte Unternehmerin und Autorin, die regelmäßig auf wichtigen Branchenevents auftritt, um über Digitalisierung, Führung und Vielfalt zu sprechen. Der Stiftehersteller Edding in Ahrensburg war an Kühne interessiert und bot ihr die Position des Chief Digital Officer an. In dieser Rolle sollte sie die Digitalisierung im Unternehmen vorantreiben, den Kundenfokus stärken und die Mitarbeiter in den Transformationsprozess integrieren. Trotz des attraktiven Angebots erwies sich die Anstellung als schwierig, da Kühne in Berlin lebt und die Verpflichtungen vor Ort nicht mit ihrem Wohnort vereinbaren konnte.
„Die Stelle war wirklich ansprechend“, erläutert Kühne, „aber die erforderlichen Arbeitsstunden waren unvereinbar mit meinem Wohnsitz in Berlin.“
Der Tandemansatz in Führungspositionen
Auf Vorschlag des Edding-Chefs Per Ledermann planten Kühne und ein potenzieller Partner, die Führungsposition zu teilen. Trotz der Vielzahl an Bewerbungen erwies sich die Chemie zwischen den Kandidaten als unzureichend. Schließlich wandte sich Kühne an ihren langjährigen Freund Boontham Temaismithi mit der Frage, ob er Interesse habe, diesen Posten gemeinsam zu übernehmen. Seine Antwort lautete prompt: „Ja klar!“
Die beiden kennen sich seit der Gründung ihrer ersten Social Media-Agentur im Jahr 2008. Dieses eingespielte Team bringt unterschiedliche Stärken mit, die sich in der Tandemführung als vorteilhaft erweisen. Temaismithi ist versiert im Smalltalk und hat ein vertieftes Verständnis für technische Themen, während Kühne in der Führung und strategischen Entscheidungsfindung stark ist. Diese Aufgabenteilung ermöglicht es ihnen, die Verantwortung effektiv zu verteilen.
Vorteile der gemeinsamen Führung
In ihren wöchentlichen Arbeitszeiten von je rund 25 Stunden teilen sich Kühne und Temaismithi die Aufgaben und befinden sich kontinuierlich im Austausch. Diese Arbeitsweise macht es möglich, wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen und sich bei besonderen Herausforderungen gegenseitig zu unterstützen. Der Stress wird auf mehrere Schultern verteilt, was zu einer insgesamt besseren Erreichbarkeit und Ansprache bei Kollegen führt.
Temaismithi äußerte dazu: „Wir treffen bessere Entscheidungen, weil wir niemals überlastet sind.“ Die Doppelrolle trägt dazu bei, dass die beiden in kritischen Situationen nicht überfordert und in der Lage sind, klarere Urteile zu fällen.
Die hervorstechenden Funktionen einer Tandem-Führung
Für Kühne bringt die Tandemführung auch den Vorteil mit sich, dass sie den Frust und die Herausforderungen, die mit Transformationsprozessen einhergehen, teilen kann. „Es ist eine Erleichterung, Wandel gemeinsam mit jemandem zu erleben, dem man zu 100 Prozent vertraut“, betont sie.
Dies bedeutet jedoch auch, dass die Erfolge und Lorbeeren geteilt werden müssen, was nicht für alle Führungskräfte unkompliziert ist. Notwendige persönliche Zurückhaltung kann bedeuten, dass man nicht immer allein im Vordergrund steht. Kühne erläutert, dass viele Top-Manager mit dieser Teilung der Sichtbarkeit Schwierigkeiten haben.
Der Einfluss von Tandems auf die Führungskultur
In Schleswig-Holstein sind Führungstandems in Unternehmen noch relativ wenig verbreitet. Professorin Claudia Buengeler von der Christian-Albrechts-Universität Kiel betont diese Nischenstellung und nennt einige Beispiele aus der Praxis, wie das Lübecker Medizintechnikunternehmen Dräger. Dort sind ein Teamleiterposten in der Sicherheitstechnik sowie der kaufmännische Innendienst mit gemischten Tandems besetzt, wobei Frauen eine maßgebliche Rolle spielen.
In Deutschland setzen überproportional große Unternehmen auf dieses Modell. So teilen sich bei dem Unternehmen Nivea in Hamburg zwei Frauen den Posten der Marketing-Direktorin für Deutschland. Ähnlich verhält es sich bei der Deutschen Bahn, wo ein weibliches Tandem die Verantwortung für den Bereich „Digitale Transformation“ innehatte.
Wissenschaftlicher Hintergrund der Tandemführung
Claudia Buengeler hebt die Vorteile der geteilten Führung hervor, die es ermöglichen, berufliche, private und familiäre Verpflichtungen besser zu vereinbaren. Diese Flexibilität kommt nicht nur Frauen, sondern auch Männern zugute. Zudem führt die Arbeit im Tandem zu einer besseren Spezialisierung auf spezifische Aufgabengebiete, wodurch Effizienz und Effektivität gesteigert werden können.
Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass Machtgefälle innerhalb von Führungstandems problematisch sein können. Sofern eine Partnerin nur in einem von einem männlichen Kollegen dominierten Umfeld agiert, könnte dies das Signal senden, dass Frauen noch nicht in der Lage sind, eigenständig zu führen. Buengeler untersucht daher gemeinsam mit der Universität Amsterdam, welche Faktoren zum langfristigen Erfolg von Tandems beitragen.
Fazit
Die Teilung von Führungspositionen bietet eine innovative Lösung für die Herausforderungen in der modernen Unternehmensführung. Sie ermöglicht eine nachhaltige Arbeitsweise, die nicht nur zur persönlichen Entlastung der Führungskräfte beiträgt, sondern auch qualitativ hochwertige Entscheidungen fördert.