Stress verstehen: Entstehung und Reduzierung für Körper und Geist
Ein neuer Job oder eine Trennung – Stress kann viele Ursachen haben. Dieser Artikel beleuchtet, wie unser Körper auf Stress reagiert, warum völlige Stressfreiheit ebenfalls problematisch ist und wieso ältere Menschen oft besser mit Belastungen umgehen können.
Definition: Was ist Stress und wie entsteht er?
Stress betrifft Menschen unterschiedlich. Eine berufstätige Mutter sieht sich möglicherweise dem Druck ausgesetzt, sowohl den Anforderungen ihrer Karriere gerecht zu werden als auch ihren Kindern die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Busfahrer hingegen könnte dem Stress entgegensehen, der durch wiederholte Staus verursacht wird. Für jemanden, der am Monatsende nicht genug Geld für die Miete hat, erscheint der Druck geradezu existenziell. Die häufigsten Stressfaktoren sind Zeitdruck und der Versuch, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen, auch bekannt als Multitasking.
Dennoch ist Stress nicht per se negativ. Er ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Druck, Spannung oder Veränderungen. Stehen wir vor einer Herausforderung, deren Bewältigung uns Zweifel bereitet, schüttet unser Körper Hormone aus, die uns helfen sollen, zu bestehen. Ein gewisses Maß an Stress ist somit unabdingbar für unsere persönliche Entwicklung. Problematisch wird es allerdings, wenn Stress langfristig anhält. Chronischer Stress kann ernste gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Stress-Symptome: Was Maus- und Tastaturverhalten über unseren Stresslevel verraten
Der aktuelle Stresslevel lässt sich unter anderem durch die Herzfrequenz messen, aber auch unser Verhalten beim Umgang mit Maus und Tastatur bietet wertvolle Hinweise. Eine Schweizer Studie, veröffentlicht im Fachjournal „Cell“, hat gezeigt, dass die Art und Weise, wie wir tippen und die Maus bewegen, stark mit unseren Stressgefühlen korreliert. Die Mathematikerin Mara Nägelin von der ETH Zürich stellte fest, dass gestresste Personen dazu tendieren, fahrig zu arbeiten, was sich in ungenauen und langen Mausbewegungen äußert. Im Gegensatz dazu erreichen entspannte Menschen ihre Ziele oft auf direktere und ruhigere Weise.
Für die Untersuchung wurden Herzfrequenz und das Verhalten an Maus und Tastatur von 90 Probanden analysiert, während diese in realistischen Bürosituationen Aufgaben erledigten. Ein Teil der Probanden war ungestört, während der andere unterbrochen wurde oder zusätzliche Stressfaktoren, wie Bewerbungsgespräche, ertragen musste. Die Resultate verdeutlichen, dass Ablenkungen im Arbeitsumfeld einen der Hauptstressoren darstellen. Der Psychiater und Stressforscher Mazda Adli hebt hervor, dass häufige Unterbrechungen unseren Stresslevel signifikant erhöhen.
Im Fluchtmodus: Was passiert im Körper bei Stress?
Im Stressfall schaltet das menschliche Gehirn in den Fluchtmodus. Dieser evolutionäre Instinkt mobilisiert eine Vielzahl physiologischer Reaktionen. Im Körper wird über den Hypothalamus und die Hypophyse das Hormon Kortisol ausgeschüttet. Dies führt zu einem Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck, was die Muskulatur und die Organe besser mit Nährstoffen versorgt. Auch Adrenalin hat in dieser Phase eine Schlüsselrolle, da es die Sinne schärft und uns ermöglicht, unter Druck Höchstleistungen zu vollbringen. Ist die Stresssituation vorbei, kann sich der Körper erholen und wieder ins Gleichgewicht kommen. Bei chronischem Stress hingegen bleibt der Körper im Fluchtmodus, was negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Dauerhaft erhöhte Kortisol- und Adrenalinspiegel können zu ernsthaften Problemen führen, darunter Verdauungsstörungen und erhöhte Anfälligkeit für Erkrankungen.
Stress-Arten: Es gibt positiven und negativen Stress
Der menschliche Körper erlebt unterschiedliche Arten von Stress. Positiver Stress, auch als Eustress bekannt, äußert sich beispielsweise in einem Kribbeln vor einem Auftritt oder einer aufregenden Freizeitaktivität. Diese Form des Stresses aktiviert unser Adrenalin und fördert ein Gefühl der Lebendigkeit sowie der Motivation, Neues auszuprobieren. Durch positive Herausforderungen erweitern wir unsere Fähigkeiten und stärken unser Selbstbewusstsein. Negative Stresssituationen hingegen führen dazu, dass Menschen sich überfordert fühlen und langfristig gesundheitliche Beschwerden erleiden können.
Stress am Arbeitsplatz: Kann unser Leben langfristig beeinträchtigen
Ein stressiger Arbeitsalltag kann erhebliche Folgen für unsere physische und kognitive Gesundheit im späteren Lebensverlauf haben. In einer schwedischen Studie aus dem Jahr 2023 wurden über einen Zeitraum von 40 Jahren die Auswirkungen einem hohen Stresslevel auf die allgemeine Lebensqualität untersucht. Die Forscher evaluieren dabei körperliche Fähigkeiten wie Kraft und Gedächtnisleistung des Probanden. Es wurde festgestellt, dass besonders Menschen mit wenig Kontrolle über ihre Arbeitsabläufe unter negativen Folgen leiden. Bei nahezu 60 Prozent der passiven Probanden traten signifikante kognitive Beeinträchtigungen auf. Diese Studie zeigt, dass soziale Faktoren und das Arbeitsumfeld stark mit der Lebensqualität im Alter verknüpft sind.
Gute Nachricht: Stress kann mit zunehmendem Alter nachlassen
In der sogenannten „Rush-Hour des Lebens“, typischerweise zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr, erleben viele Menschen signifikanten Druck, sowohl beruflich als auch privat. Studien deuten darauf hin, dass ab dem 50. Lebensjahr viele mehr Gelassenheit empfinden. Höhere Lebensweisheit und die Erkenntnis, dass die Zeit begrenzt ist, führen zu einem veränderten Fokus auf Freude und zwischenmenschliche Beziehungen. Ältere Menschen neigen dazu, besser mit Stress umzugehen, da sie aus ihren Erfahrungen lernen. Dennoch variieren individuelle Erfahrungen, wobei Faktoren wie sozialer Status und Bildung einen erheblichen Einfluss auf das Stressmanagement haben.
Fazit: …
Stress ist ein komplexes Phänomen, das sowohl auf physiologischer als auch psychologischer Ebene betrachtet werden muss. Während kurzfristig Stress durchaus motivierend wirken kann, wird chronischer Stress zur Belastung und kann ernsthafte Gesundheitsprobleme verursachen. Die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, scheint im Alter zu zunehmen, was positive Perspektiven für die Lebensqualität im späteren Leben eröffnet.

