Zwischen vorsichtigem Optimismus und Unsicherheiten: Eine neue CFO-Umfrage verdeutlicht das Wachstum der Kluft zwischen Dienstleistungssektor und Industrie in Deutschland und stellt die wirtschaftliche Zukunft des Landes in Frage.

Wirtschaft im Wandel: CFOs zwischen Risiko und Hoffnung

Deutschlands Wirtschaft bietet ein gemischtes Bild: Herausforderungen für die Industrie, aber Wachstum im Dienstleistungssektor.

Die Umfrage, die 171 Finanzvorstände deutscher Unternehmen befragte, zeigt eine ambivalente wirtschaftliche Lage in Deutschland. Während sich eine leichte Aufhellung der Erwartungen abzeichnet, ist der Optimismus nicht einheitlich verteilt. Dienstleistungsbranchen profitieren von positiver Dynamik, während das verarbeitende Gewerbe mit strukturellen Schwächen zu kämpfen hat. Diese Situation ergibt, dass viele Unternehmen den heimischen Markt als weniger attraktiv einschätzen und die Auswirkungen politischer Reformen bisher minimal sind. Die Finanzabteilungen stehen zusätzlich vor neuen Herausforderungen hinsichtlich Personal und Kompetenz.

Uneinheitlicher Aufschwung zwischen Branchen

Im Frühjahr 2025 herrschte für viele CFOs noch Optimismus, unterstützt durch ein Fischkalpaket und eine starke Binnenkonjunktur. Der Stimmungsindex der Herbst-Erhebung zeigt eine positive Entwicklung mit einem Wert von +1 Prozent, jedoch gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Branchen. Besonders die exportorientierte Industrie hat ihre Erwartungen nach unten revidiert, leidet unter schwacher Nachfrage und geopolitischer Unsicherheit. Im Gegensatz dazu zeigen Unternehmen im Dienstleistungssektor, wie Technologie und Finanzdienstleistungen, gute Geschäftsergebnisse und investieren in Wachstum.

Die Investitionspläne belegen diese Divergenz. Dienstleistungsunternehmen haben ihre Budgets erhöht, während viele Industriebetriebe, insbesondere im Maschinenbau und der Konsumgüterindustrie, Einschnitte planen. Hier rechnen etwa drei Viertel der CFOs in diesen Sektoren mit Personalabbau in den nächsten zwölf Monaten.

Standort Deutschland verliert an Strahlkraft

Die ökonomischen Herausforderungen und stagnierenden Reformprozesse gefährden zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland. Über die Hälfte der befragten Unternehmen sieht das Land aktuell als weniger attraktiv für Investitionen als vor zwei Jahren. Obwohl die USA und China traditionell als Alternativen gelten, richten sich die Blicke zunehmend auf europäische Märkte, Indien und Südostasien. Dienstleistungsunternehmen orientieren sich eher in Richtung Europa, während der Maschinenbau und die Automobilbranche den Fokus auf Asien legen. Diese Verschiebung könnte dazu führen, dass in Deutschland weniger investiert wird. Nur 16 Prozent der CFOs geben an, momentan zu wenig in Deutschland zu investieren, was ein alarmierendes Zeichen ist.

Geopolitische Unsicherheiten im Ausland führen hingegen nicht zu einer nennenswerten Rückverlagerung von Produktionskapazitäten, da lediglich 30 Prozent der Unternehmen aufgrund solcher Risiken mehr Zulieferer aus Deutschland suchen.

Abwanderung statt Erneuerung

Immer weniger Unternehmen planen, ihre Zukunft langfristig in Deutschland zu gestalten. Während Betriebsstätten und Absatzmärkte gegenwärtig größtenteils im Inland verbleiben, zeigen mittelfristige Pläne einen anderen Trend: In zwei Jahren wollen weniger als die Hälfte der Befragten ihr Hauptquartier in Deutschland behalten. Im verarbeitenden Gewerbe plant nur noch ein Viertel, die Produktion im Inland fortzusetzen. Trotz politischer Gegenmaßnahmen sieht nur eine Minderheit von 14 Prozent der CFOs die jüngsten Reformpakete als effektiv an.

Die Skepsis ist besonders in der Industrie herauszulesen, wo drei Viertel der Unternehmen keine positiven Auswirkungen der Reformen erwarten. Dies verdeutlicht, dass tiefgreifende Reformen erforderlich sind, um den Standort Deutschland zu beleben. Neben einer steuerlichen Entlastung muss auch Bürokratie abgebaut werden, um Anreize für Zukunftsindustrien und technologische Innovationen zu schaffen.

Chancen durch neue Märkte und Strukturen

Die deutsche Wirtschaft befindet sich an einem entscheidenden Punkt. Die traditionellen Wettbewerbsvorteile wie Ingenieurskunst und Exportstärke verlieren an Bedeutung. Eine Reaktion darauf ist die Diversifizierung: Unternehmen erschließen neue Märkte, suchen nach besseren Produktionsbedingungen und lagern Teile der Wertschöpfung ins Ausland. Diese Neuausrichtung kann auch Chancen bieten, indem Innovation und Forschung im Heimatland konzentriert werden, während Produktion und Markterweiterung global stattfinden. Dies ermöglicht Deutschland, ein zentraler Knotenpunkt für Management, Technologie und Wissen zu bleiben, sofern die politischen Rahmenbedingungen diesen Wandel unterstützen.

Fokus der CFO-Agenda: Talente im Finanzbereich

Dies führt zu spürbaren Konsequenzen: steigende Kosten, Verzögerungen bei Transformationsprojekten und sinkende Qualitätsstandards. Obwohl die meisten CFOs derzeit keine unmittelbaren Bedrohungen für das Risikomanagement sehen, lassen sich erste Anzeichen eines Verfalls wie verzögertes Berichtswesen im Maschinenbau erkennen.

Digitalisierung als Antwort – mit Grenzen

Die Mehrheit der CFOs setzt auf Digitalisierung und Automatisierung, um die bestehenden Probleme zu bewältigen. Rund zwei Drittel planen die Automatisierung sowohl transaktionaler als auch wissensbasierter Prozesse, gleichzeitig investieren sie in die Schulung ihrer Mitarbeiter. Der Erfolg dieser Strategie ist jedoch stark von der Bereitschaft der Belegschaft abhängig, sich auf Veränderungen einzulassen. Wo Motivation fehlt, wird selbst die beste Digitalstrategie Schwierigkeiten haben, umgesetzt zu werden.

Flexiblere Wege zur Personalgewinnung

Einige Finanzchefs setzen zudem auf mehr Flexibilität bei der Personalrekrutierung. Dabei geraten digitale Kompetenzen zunehmend in den Vordergrund, während traditionelle Berufserfahrung an Bedeutung verliert. So rekrutieren bereits 20 Prozent der CFOs verstärkt im Ausland für Positionen in Deutschland. Überraschend jedoch ist, dass unkonventionelle Potenziale wie Quereinsteiger oder ältere, länger im Erwerbsleben bleibende Arbeitnehmer bislang kaum berücksichtigt werden. Diese Tendenz könnte zu einem Verlust wertvoller Ressourcen in einem zunehmend angespannten Arbeitsmarkt führen.

Fazit: …

Die Studie zeigt, dass Deutschlands Wirtschaft sich in einem Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Realität bewegt. Es ist offensichtlich, dass strukturelle Herausforderungen bestehende Wachstumsimpulse mindern. Eine nachhaltige Erneuerung ist nur durch gemeinsame Anstrengungen von Unternehmen und Politik möglich. Während Unternehmen Diversifizierung und digitale Transformation vorantreiben müssen, sind effektive Reformen und Standortförderung durch die Politik unerlässlich, um Deutschlands Rolle als führender Wirtschaftsstandort in einer sich verändernden globalen Ordnung zu behaupten.

Die Studie „CFO Survey Herbst 2025“ können Sie hier herunterladen.


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