Zeit:
Mittwoch, 3. Dezember 2025,
16 bis 17 Uhr

Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300

Am 3. Dezember 2025 fand im Paul-Löbe-Haus in Berlin eine öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses statt, in der Experten verschiedene Ansätze zur Weiterentwicklung der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) diskutierten. Diese Veranstaltung diente dazu, Lösungen für die strukturellen und finanziellen Herausforderungen im Pflegebereich zu erörtern. Eine zentrale Thematik war ein Antrag der Linksfraktion, der sich gegen Leistungskürzungen in der Pflege richtete. Die Experten äußerten sich sowohl mündlich als auch in schriftlichen Stellungnahmen zu diesem Thema.

Finanzierung und Ausgaben der Sozialen Pflegeversicherung

Die finanzielle Situation der SPV bleibt angespannt. Laut dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betrug der Mittelbestand Ende 2024 lediglich 5,34 Milliarden Euro. Diese Summe stellt nur eine Monatsausgabe dar. Trotz einer Erhöhung des Beitragssatzes Anfang 2025 und einer geminderten Zuführung in den Pflegevorsorgefonds sind die Ausgaben weiterhin höher als die Einnahmen. Im Laufe der ersten drei Quartale 2025 wurde ein Defizit von 550 Millionen Euro festgestellt, das durch ein Darlehen des Bundes ausgeglichen wurde. Ein Ausblick auf den Jahresabschluss lässt erwarten, dass der Mittelbestand ungefähr auf dem Vorjahresniveau bleiben dürfte.

Für die nächsten Jahre sind deutliche Milliardendefizite prognostiziert. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, fordern die Experten nachhaltige Reformen. Insbesondere wird die Rückzahlung von Corona-Hilfen an die SPV als kurzfristige Entlastung angeführt. Diese Maßnahme könnte 2026 zu einer Reduzierung der finanziellen Belastung um bis zu zehn Milliarden Euro führen. Außerdem plädiert der GKV für eine dauerhafte Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige durch den Bund, um die finanzielle Basis der SPV zu stabilisieren. Die Rückzahlung der Bundesdarlehen an die SPV in den kommenden Jahren erfordert eine langfristige Klärung der finanziellen Sicherstellung dieser Versicherung.

Vorschläge zur ReformReform Eine Reform bezeichnet eine gezielte Veränderung oder Verbesserung bestehender Strukturen, Gesetze, Systeme oder Prozesse. Ziel ist es, Missstände zu beseitigen, Abläufe zu modernisieren oder gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Rahmenbedingungen anzupassen. Reformen können einzelne Bereiche betreffen oder umfassende Veränderungen auslösen und entstehen oft aus gesellschaftlichem, technischem oder politischen Bedarf. #Erneuerung #Umgestaltung #Neuausrichtung #Strukturreform der Pflegefinanzierung

Der Gesundheitsökonom Stefan Greß von der Hochschule Fulda stellte fest, dass die Verantwortung für die Finanzierung der stationären Pflege zunehmend auf die Pflegebedürftigen, deren Angehörige und kommunale Sozialträger abgewälzt wird. Dies führt dazu, dass immer mehr Pflegebedürftige entweder auf erforderliche Leistungen verzichten oder diese selbst finanzieren müssen. Diese Entwicklung stellt nicht nur die Finanzierung der Pflegeversicherung in Frage, sondern auch deren gesellschaftliche Akzeptanz.

Greß sprach sich für die Einführung einer Pflegebürgerversicherung aus, um die Finanzierung gerechter zu gestalten. Dazu gehörten auch eine schrittweise Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze sowie die Einbeziehung von Vermögenseinkommen in die Beitragserhebung. Private Zusatzversicherungen zur Abdeckung von Leistungskürzungen wurden als inakzeptabel abgelehnt. Diese Vorschläge zielen darauf ab, die finanzielle Grundlage der Pflegeversicherung zu stärken und ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Ansätze zur Leistungsanpassung in der Pflegeversicherung

Im Gegensatz dazu plädiert der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) für eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. Angesichts der bestehenden Milliardendefizite müsse die Finanzlage der SPV eingehender überprüft werden. Der PKV fordert, versicherungsfremde Leistungen nicht durch die Beitragszahler zu finanzieren. Stattdessen sollten die Leistungen gezielt auf die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen ausgerichtet und vereinheitlicht werden.

Die Organisationsstruktur der Pflegeversicherung müsste gestrafft werden, sodass Leistungen flexibler paktiert und die Grundlagen für den Pflegegrad 1 stärker auf Prävention ausgerichtet werden. Zudem wird eine verstärkte Eigenverantwortung der Versicherten gefordert, um die Umlagefinanzierung nicht weiter auszuweiten. Eine Umgestaltung des Systems erfordere einen Fokus auf Kapitaldeckung.

Soziale Beitragslast und Eigenverantwortung

Der Arbeitgeberverband BDA warnte in der Anhörung vor einer übermäßigen Belastung junger Menschen durch steigende Sozialabgaben. Prognosen deuten darauf hin, dass sich der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz in den nächsten zehn Jahren auf etwa 49 Prozent erhöhen könnte. Der BDA fordert daher umfassende Reformen der SPV, einschließlich der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen durch Steuermittel und der Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors. Obendrein wird die Einführungen einer Karenzzeit für Leistungen bei Feststellung der Pflegebedürftigkeit gefordert.

Der BDA plädiert auch für eine Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten und lehnt sowohl eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze als auch einen Finanzausgleich zwischen der sozialen und privaten Pflegeversicherung ab. Fragen der Selbstbeteiligung sollen ebenfalls nicht durch fixe Eigenanteile geregelt werden.

Herausforderungen für pflegende Angehörige

Die Herausforderungen für pflegende Angehörige wurden von einer Vertreterin des Vereins „Wir pflegen“ ausführlich dargestellt. Insbesondere die Suche nach geeigneten ambulanten Pflegeangeboten gestaltet sich oft als schwierig, da passende Leistungen entweder nicht verfügbar sind oder nicht den individuellen Bedürfnissen entsprechen. Häufig übernehmen Familien aus finanziellen Gründen die Pflege selbst, was oftmals zu einer erheblichen Belastung ihrer beruflichen Situation führt.

Zudem wird festgestellt, dass die Pflege in Deutschland größtenteils von Frauen übernommen wird. Eine Einschränkung der Leistungen beeinflusst besonders diese Gruppe stark, da viele pflegende Angehörige von Erschöpfung berichten. In diesem Kontext wird eine Stärkung der ambulanten Pflege gefordert, um familiäre Belastungen zu reduzieren und die versicherte Unterstützung zu optimieren.

Antrag der Linksfraktion zur sozialen Pflegeversicherung

Im Antrag der Linksfraktion, der in der Anhörung besprochen wurde, wird ein kategorischer Verzicht auf Leistungskürzungen in der Pflege gefordert. Der aktuelle Koalitionsvertrag enthält als erster in der Geschichte der Pflegeversicherung Vorschläge zu Kürzungen. Die Abgeordneten betonen, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Nachhaltigkeitsfaktoren wie eine Karenzzeit überprüfen soll, was in Zukunft zu Leistungseinschränkungen führen könnte. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass Formulierungen zu „Leistungsumfang“ und „Ausdifferenzierung der Leistungsarten“ als potenzielle Ansätze zur Kürzung der Leistungen verstanden werden können. Der Antrag richtet sich klar gegen Leistungseinschränkungen wie eine vorübergehende Karenzzeit und fordert die Bundesregierung auf, solche Kürzungen nicht zu implementieren.

Fazit: Reformbedarf in der Pflegeversicherung

Die Anhörung verdeutlicht den dringenden Reformbedarf der Sozialen Pflegeversicherung, die vor finanziellen Herausforderungen steht. Experten und Interessensvertreter aus verschiedenen Bereichen legen unterschiedliche Ansätze vor, um die Nachteile der aktuellen Finanzierung und Leistungsstruktur zu beseitigen. Dabei wird in einer breiten Palette von Vorschlägen deutlich, dass sowohl eine Verbesserung der wirtschaftlichen Grundlage als auch eine eindeutige Klärung der Verantwortlichkeiten notwendig sind, um die Pflegeversicherung zukunftssicher zu gestalten.