Die 72. Vierschanzentournee: Ein faszinierendes Wintersportereignis

Vom 28. Dezember 2023 bis zum 6. Januar 2024 findet die 72. Vierschanzentournee statt, ein Wettbewerb, der die besten Skispringer der Welt vereint. Dieser prestigeträchtige Wettbewerb, oft als die „Formel 1 des Winters“ bezeichnet, führt die Athleten zu den renommierten Schanzen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen in Deutschland, wo das legendäre Neujahrsspringen am 1. Januar stattfindet. Anschließend führt die Tournee weiter zu den Arenen in Innsbruck und Bischofshofen in Österreich. Während des Wettbewerbs erreichen die Springer beeindruckende Weiten von über 140 Metern, während der Weltrekord im Skifliegen bei 253,5 Metern liegt. Diese Distanz wirft die Frage auf: Wie ist es physikalisch möglich, solche Höhen und Weiten zu erreichen?

Der Sprung ins Ungewisse: Technik und Geschwindigkeit

Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg im Skispringen ist die Geschwindigkeit beim Absprung. Die Athleten nutzen einen Anlauf, bei dem sie in die Hocke gehen, um den Luftwiderstand zu minimieren. Dieses Tempo kann über 90 km/h erreichen, wenn sie den Schanzentisch erreichen. Der Absprung selbst ist eine technische Herausforderung. In einer aktuellen Doku erläutert der frühere Vierschanzentournee-Gewinner Manfred Deckert den Übergang von der 37-Grad-Neigung zum Absprungwinkel von 11 Grad. In diesem kritischen Moment müssen die Springer nicht nur den Absprung präzise timen, sondern auch nach den ersten 80 Metern im Blindflug die Kontrolle über ihre Höhe und Geschwindigkeit wiedererlangen. Der Bruchteil einer Sekunde entscheidet darüber, ob der Sprung erfolgreich ist.

Während des Fluges maximieren die Springer ihre Fläche, um wie auf einem „Luftpolster“ zu schweben. Der in den 1980er Jahren populär gewordene V-Stil, entwickelt von Jan Böklov, hat sich heute als Standard etabliert. Er ermöglicht es den Springern, ihre Skier in einer V-Formation zu halten, was damals als disruptiv galt. Zuvor bedurfte es starker Korrekturen in den Haltungsnoten, doch der V-Stil wurde schließlich anerkannt. In den letzten Jahren hat sich zudem der H-Stil entwickelt, bei dem der Abstand zwischen den Skiern am hinteren Ende größer ist. Diese technologischen Entwicklungen sind entscheidend, um die Flugtechnik zu optimieren und die Weiten zu erhöhen.

Die entscheidende Landung: Technik und Korrektur

Nach zwei bis drei Sekunden in der Luft ist die Landung der Schlüsselmoment. Selbst der weiteste Sprung kann durch einen Sturz entwertet werden, da dieser für eine akzeptable Bewertung entscheidend ist. Der Punkt, an dem die Landung erfolgen muss, ist kritisch und erfordert vom Springer höchste Präzision. Die „Telemark“-Technik, benannt nach der norwegischen Region, in der sie entwickelt wurde, ist hierbei besonders vorteilhaft, da sie hilft, die Geschwindigkeit schnell zu reduzieren. Dabei wird einer der Skier nach vorne und der andere nach hinten verschoben, wobei auch hier die Haltung bewertet wird. Eine saubere Telemark-Landung ist entscheidend, um die nötigen Punkte zu sammeln und den Sprung erfolgreich abzuschließen.

Forschung und Entwicklung in der Skisprungtechnik

Die Wissenschaft hinter dem Skispringen entwickelt sich ständig weiter. Besonders in Mitteldeutschland, insbesondere in Chemnitz und Leipzig, finden bedeutende Forschungen zum Thema statt. Das Institut für Mechatronik in Chemnitz, welches mit dem Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau fusioniert ist, hat das Programm „Alaska“ entwickelt. Dieses ermöglicht die virtuelle Simulation der Dynamik von Skisprüngen. Dabei wird eine digitale Figur, „Jumpicus“, dazu verwendet, um die physikalischen Abläufe eines Sprungs zu analysieren. Heike Hermsdorf, eine Mathematikerin des Instituts, erklärt, dass der Springer sowohl nach oben drängen als auch vorwärts neigen muss, um einen optimalen Drehimpuls zu erreichen. Die Variable, die gleichbleibend ist, ist die Beziehung zwischen Absprunggeschwindigkeit und Drehimpuls.

Die gewonnenen Daten aus diesen Simulationen werden dann vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig weiterverarbeitet. Diese Institution bietet Windkanaldaten an, auf deren Basis komplexe Simulationen erstellt werden. Die Ergebnisse werden an Trainer wie den ehemaligen Weltklasse-Kombinierer Eric Frenzel weitergereicht. Dieses Zusammenspiel von Forschung und praktischer Anwendung ist entscheidend für die Weiterentwicklung der Wettkampftechnik und kann dazu beitragen, die Leistung der Athleten zu steigern.

Fazit: Faszination Skispringen

Die Vierschanzentournee ist nicht nur ein bedeutendes Sportereignis, sondern auch ein faszinierendes Beispiel für die Verbindung von Technik, Physik und Tradition im Wintersport. Die stetigen Entwicklungen in der Flugtechnik und die fortlaufende Forschung tragen zur Verbesserung der sportlichen Leistung bei, was die Faszination dieses Wettbewerbs noch verstärkt.