Stand: 06.05.2025 14:32 Uhr

Der 30. April 1993 bringt einen tiefgreifenden Einschnitt in die Tenniswelt. Am Hamburger Rothenbaum wird Monica Seles von einem psychisch gestörten Mann attackiert.

von Hanno Bode

Der Moment der Attacke

Monica Seles, zu diesem Zeitpunkt die beste Tennisspielerin der Welt, steht im Viertelfinale eines Sandturniers am Rothenbaum in Hamburg. Die Anspannung ist spürbar, da sie nach einer siebenwöchigen Wettkampfpause zurückkehrt. Im Spiel gegen die bulgarische Spielerin Magdalena Maleeva führt sie mit 6:4, 4:3 und benötigt nur noch acht Punkte, um den Einzug ins Traumfinale gegen ihre Rivalin Steffi Graf klarzumachen.
Während eines Seitenwechsels, an der weißen Bank neben dem Schiedsrichterstuhl, trinkt sie einen Schluck Wasser. In diesem Moment geschieht das Unvorstellbare: Ein lauter Schrei durchbricht die Stille, und Seles taumelt zu Boden. Zuschauer sind verstört und können die Situation zunächst nicht einordnen.

Die Messerattacke

Etwa zur gleichen Zeit, als Seles am Boden liegt, wird der Angreifer, ein Mann namens Günter Parche, von mehreren Zuschauern überwältigt. Parche hat zuvor Seles mit einem langen Messer in die Schulter gestochen und steht nun unter massivem Druck. Seles wird umgehend medizinisch versorgt, wobei schnell deutlich wird, dass sie großes Glück hatte. Die Ärzte stellen fest, dass die Verletzung zwar schmerzhaft, aber nicht lebensbedrohlich ist. Ihr weißes Shirt ist blutverschmiert, und die Verletzung betrifft nur Muskel- und Fasergewebe, was eine weitreichende Erholung ermöglicht.

Hintergrund des Täters

Günter Parche, der Täter, wird als ein unauffälliger, doch eindringlicher Charakter beschrieben. Er ist ein paradoxer Verehrer von Steffi Graf und hat erkannt, dass ein neuer Tennisstar wie Seles auf der Bildfläche erscheint. Laut seinem Anwalt hat Parche eine „hochabnorme Persönlichkeitsstruktur“, die zu diesem gewalttätigen Akt führte. Die Tat wäre ein Ausdruck seiner besessenen Bewunderung für Graf gewesen.
In der Zeit nach der Attacke wird Seles von Steffi Graf im Krankenhaus besucht, was auf die unerwartete Verbindung zwischen diesen beiden Spielerinnen hinweist. Graf hat aufgrund des laufenden Turniers nur begrenzte Zeit, was Seles zusätzlich verstört, da sie annimmt, dass das Turnier nach dem Vorfall sofort abgebrochen worden wäre.

Psychologische Folgen

Obwohl Seles körperlich keine bleibenden Schäden davonträgt, bleibt der psychologische Einfluss der Attacke gravierend. Sie leidet fortan an Angstzuständen, Depressionen und Albträumen, die sie in ihrer Rückkehr zum Tennis stark einschränken. Erst durch eine intensivere psychologische Therapie und über zwei Jahre nach dem Vorfall gelingt ihr ein Comeback auf der WTA-Tour.
Seles beschreibt in ihrer Biografie die Veränderungen, die dieser Tag in ihrem Leben bedeuteten. Der Anschlag hinterlässt nicht nur körperliche, sondern vor allem emotionale Spuren und beeinträchtigt sowohl ihre Karriere als auch ihr persönliches Wohlbefinden erheblich.

Rechtliche Folgen und das Schicksal des Täters

Der Täter, Günter Parche, wird mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davonkommen. Seles empört sich über das Gerichtsurteil und äußert ihre Unverständnis darüber, dass Parche nicht für seine Tat zur Rechenschaft gezogen wird. Ihre Versuche, Schadenersatz in Höhe von 12,2 Millionen Euro von den Veranstaltern des Turniers zu erhalten, scheitern ebenfalls. Diese Erfahrungen führen dazu, dass Seles nach dem Vorfall nicht mehr in Deutschland auftritt.
Parche stirbt im August 2022 in einem Pflegeheim, nachdem er mehrere Schlaganfälle erlitten hat. Seles hingegen beendet ihre Karriere 2008 offiziell, jedoch wird sie nie wieder die gleiche Form erreichen, die sie vor dem Anschlag hatte.

Fazit: Ein Einschnitt in die Tennisgeschichte

Der 30. April 1993 bleibt ein schicksalhaftes Datum in der Tenniswelt. Monica Seles‘ Karriere nimmt durch den brutalsten Angriff einen dramatischen Verlauf, der nicht nur sie, sondern auch die Tennisszene nachhaltig beeinflusst. Von einer aufstrebenden Legende, die bereits Erfolge mit Leichtigkeit erzielt, wird sie zu einem Symbol für Widerstandsfähigkeit und den Kampf gegen psychische Belastungen. Seles bleibt ein Beispiel für die Herausforderungen, die Athleten auch abseits des Platzes bewältigen müssen.