Markenstrategien mit Schallplatten im Fokus
Die Verschmelzung von Musik und Mode
Die Wechselwirkungen zwischen Musik und Mode sind schon seit Jahrzehnten spürbar. Diese Symbiose erreicht einen neuen Höhepunkt, da immer mehr Luxusmarken nicht nur Mode, sondern auch Musik, Videos und Schallplatten in ihr Produktportfolio integrieren. So wird die Trennung zwischen Klang und Stil zunehmend aufgelöst. Ein Beispiel hierfür ist Simone Bellotti, der Kreativdirektor von Jil Sander, der seine Amtszeit mit einem Musikvideo einleitete. Gedreht in Hamburg, der Stadt, in der die Marke 1968 gegründet wurde, kombiniert das Video visuelle und akustische Elemente, um das Wesen von Jil Sander zu vermitteln. Die musikalische Untermalung stammt vom italienischen Elektronik-Musiker Gianluigi Di Costanzo, bekannt unter dem Namen Bochum Welt, dessen Arbeiten als Ausdruck der Dualität zwischen Strenge und Leichtigkeit betrachtet werden.
Jil Sander geht über das Video hinaus und bringt eine Schallplatte mit der Musik von Bochum Welt auf den Markt, verpackt in einem minimalistischen Cover, das für die Marke typisch ist. Diese Verbindung von Mode und Musik schafft eine neue Sichtweise auf Luxus: Die Marke ist nicht mehr nur im Kleiderschrank vertreten, sondern findet auch ihren Platz im Wohnzimmer.
In einer Welt, die zunehmend digital geprägt ist, gewinnt das Analoge an Attraktivität. Die Renaissance des Vinyls, gemeinsam mit dem Comeback von gedruckten Büchern und analoger Fotografie, ist ein Beleg für dieses Phänomen. Vinyl-Schallplatten stehen nicht nur für nostalgische Klangqualität, sondern auch für Handwerkskunst und ein besonderes Hörerlebnis, das sich von der schnellen Konsumkultur abhebt. Dies spricht nicht nur Experten an, sondern auch die Luxusmarken, die sich ebenfalls mit diesen Werten identifizieren.
Schallplatten als Einstieg für Luxusmarken
Ein Beispiel für die Affinität der Luxusmarken zur Musik ist die Initiative von Hermès im Jahr 2018. Unter dem Namen „Hermès Silk Mix“ gestaltet das Unternehmen weltweit ausgewählte Locations im Stil traditioneller Plattenläden. Dies geschieht in Anerkennung der Leidenschaft für Musik von der Chefdesignerin Véronique Nichanian und dem Kreativdirektor der Männerseide, Christophe Goineau. In diesen stylischen Umgebungen sind Vinylhüllen mit Seidenschals dekoriert, während jede Platte einen Song aus einer Modenschau spielt, der vor Ort abspielbar ist. So wird die Verknüpfung zwischen Mode und Musik perfekt inszeniert.
Daniel Lee, der seit 2022 als Kreativdirektor bei Burberry tätig ist, hat ebenfalls das Potenzial der Schallplatte erkannt. So bringt Burberry eine Festivalkampagne heraus, bei der Musiklegenden wie der Oasis-Sänger Liam Gallagher mit aufstrebenden Künstlern wie dem Rapper Loyle Carner zusammenarbeiten. Der begleitende Soundtrack ist eine Neuinterpretation des Rave-Klassikers „Sweet Harmony“, die als limitierte Vinyl-Ausgabe erhältlich ist. Diese Verbindung von Musik und Mode spricht besonders jüngere Zielgruppen an, die sich zunehmend für Vinyl als Kultobjekt interessieren.
Laut einer Umfrage des britischen Vinylherstellers Key Production hören 59 Prozent der 18- bis 24-Jährigen physische Tonträger. Dies zeigt nicht nur eine Vorliebe für die Klangqualität, sondern auch für die Ästhetik der Schallplattencover, die häufig als dekorative Elemente in den eigenen vier Wänden genutzt werden.
Plattenspieler als luxuriöse Sammlerobjekte
Die Strategie der Modehäuser zielt nicht nur auf jüngere Kunden ab, sondern auch auf eine ältere Zielgruppe, die die Ursprünge der Musikgeschichte erlebt hat. Saint Laurent bringt gemeinsam mit Bang & Olufsen den legendären „Beogram 4000“ in einer limitierten Auflage zurück. Ursprünglich 1972 eingeführt, gilt dieser Plattenspieler heute als Designklassiker und ist bei Sammlern äußerst begehrt. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Marken resultiert in zehn restaurierten Originalmodellen, die mit modernen Akzenten versehen sind. Der Preis von 30.000 Euro verdeutlicht den Luxus und die Exklusivität dieser Produkte.
Zusätzlich haben Marken wie Louis Vuitton und Hermès innovative Ansätze entwickelt, um die Schallplatte ins Luxussegment zu integrieren. Louis Vuitton stellte eine skulpturale Klangsäule aus Leder vor, die sowohl Vinyl als auch Streaming verbindet. Hermès bringt eine elegante Jukebox heraus, die als bedeutendes Designobjekt gilt. Solche einzelnen Stücke sind nicht nur wertvolle Sammlerstücke, sie tragen auch dazu bei, das Image der Marke zu fördern, indem sie den physischen Raum der Marke nochmals neu definieren.
Emotionale Bindungen durch multisensorische Erlebnisse
Ein weiteres Beispiel, wie Marken das Kundenerlebnis vertiefen können, ist Valentinos „Atelier Sonore“ in New York. Dieser Raum bietet ein einzigartiges „Listening Room“-Konzept, in dem DJs Vinylplatten auflegen. Das Ambiente fördert die stille Kontemplation und bietet ein Hörerlebnis jenseits der Massenmedien. In einem Zeitalter, in dem digitale Interaktionen vorherrschen, ist die Reduktion auf eine intime, persönliche Erfahrung nicht nur erfrischend, sondern auch notwendig, um langfristige emotionale Bindungen zur Kundschaft aufzubauen. Hier wird deutlich, dass der physische Raum und die Multi-Sensorik eine zentrale Rolle für die Markenidentität spielen.
Diese multi-sensorischen Erlebnisse bieten Marken eine Möglichkeit, sich von der flüchtigen Online-Welt abzugrenzen. Im Kontext einer schnellen Konsumkultur sind solche Erlebnisse nicht nur bemerkenswert, sondern tragen auch dazu bei, dass Marken nachhaltig im Gedächtnis bleiben.
Fazit: Die neue Ära der Markeninszenierung
Insgesamt zeigt sich, dass die Grenzen zwischen Mode und Musik zunehmend verschwommen. Luxusmarken nutzen Schallplatten und Plattenspieler als innovative Produkte, um emotionale und kulturelle Bindungen zu schaffen. Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie wichtig es für Marken geworden ist, sowohl über digitale als auch über physische Erlebnisse eine tiefere Verbindung zur Kundschaft herzustellen.