ReformReform Eine Reform bezeichnet eine gezielte Veränderung oder Verbesserung bestehender Strukturen, Gesetze, Systeme oder Prozesse. Ziel ist es, Missstände zu beseitigen, Abläufe zu modernisieren oder gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Rahmenbedingungen anzupassen. Reformen können einzelne Bereiche betreffen oder umfassende Veränderungen auslösen und entstehen oft aus gesellschaftlichem, technischem oder politischen Bedarf. #Erneuerung #Umgestaltung #Neuausrichtung #Strukturreform des Behindertengleichstellungsgesetzes ruft Kritik hervor
Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes: Hintergrund und Reaktionen
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Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes leben in Deutschland rund 16 Prozent der Bevölkerung mit einer Behinderung. Diese Menschen sehen sich im Alltag häufig mit Barrieren konfrontiert, die ihre gleichberechtigte Teilhabe erschweren. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, plant die Bundesregierung eine Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG), die sowohl die Barrierefreiheit im öffentlichen als auch im privaten Bereich verbessern soll.
Ziele der Reform und Inhalte des Entwurfs
Der Legislativentwurf verfolgt das Prinzip der „angemessenen Vorkehrungen“. Demzufolge sollen private Anbieter von Waren und Dienstleistungen verpflichtet werden, im Bedarf individuelle Lösungen zu finden, um den Zugang für Menschen mit Behinderungen zu erleichtern. Für öffentliche Stellen besteht die Aufgabe darin, bauliche sowie kommunikative Barrieren abzubauen. Sie müssen relevante Dokumente barrierefrei zur Verfügung stellen und haben die Möglichkeit, ein Bundeskompetenzzentrum für Leichte Sprache und Gebärdensprache hinzuzuziehen. Zudem sind begleitende Maßnahmen, wie Schlichtungsverfahren, vorgesehen, um die Umsetzung der Ziele zu unterstützen. Das Hauptziel der Reform ist es, die vollumfängliche und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, ohne dabei eine unverhältnismäßige Belastung der Unternehmen zu riskieren.
Kritik aus Fachkreisen und der Politik
Die Reaktion auf den vorgelegten Referentenentwurf des BGG war stark negativ und wurde von diversen Experten und politischen Vertretern scharf kritisiert. Prof. Dr. Sigrid Arnade, Mitglied des Vorstands des NETZWERK ARTIKEL 3, äußerte sich besorgt über die Bestimmungen des Entwurfs. Ihrer Ansicht nach wird durch die vorgesehene Regelung ein direkt umsetzbares Recht aus der UN-Behindertenrechtskonvention „ausgehöhlt“. Insbesondere das Konzept der „angemessenen Vorkehrungen“ wird durch die Reform geschwächt. Diese Vorkehrungen sind entscheidend für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, und deren Verweigerung würde als Diskriminierung angesehen. Arnade betont, dass die durch die Reform vorgesehenen Änderungen einen Schritt rückwärts darstellen und die Rechte von Menschen mit Behinderungen untergraben.
Weitere Stimmen der Kritik sowie Forderungen
Corinna Rüffer, die behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte ebenfalls den Entwurf. Sie sieht darin eine langfristige Festschreibung von Barrieren anstelle einer konsequenten Beseitigung. Insbesondere stört sie die Regelung, dass nur die öffentlich zugänglichen Bereiche von Bundesbauten bis zur Übergangsfrist 2045 barrierefrei werden sollen. Angesichts des demografischen Wandels und der bereitgestellten finanziellen Mittel von 500 Milliarden Euro für moderne Infrastruktur könnte dies als Versäumnis gewertet werden. Rüffer fordert, dass Barrierefreiheit als essenzielles Qualitätsmerkmal einer modernen und integrativen Gesellschaft anerkannt werden muss.
Die monatelangen Streitigkeiten zwischen dem Innenministerium und dem Wirtschaftsministerium über notwendige Verbesserungen im Gesetz haben dazu geführt, dass substanzielle Änderungen nicht umgesetzt wurden. Die Verantwortung für Barrierefreiheit privater Anbieter bleibt weiterhin unzureichend geregelt, was eine ernsthafte Ungerechtigkeit für die betroffenen Personen darstellen könnte. Unternehmen dürfen Barrieren nicht nur nicht beseitigen müssen, sondern auch keine Kosten für die Umsetzung von Barrierefreiheit tragen, was die ganze Problemstellung weiterhin bestehen lässt. Der Entwurf wird als verlorene Gelegenheit beschrieben, die Rechte von Menschen mit Behinderungen tatsächlich zu schützen und nicht die Interessen der Unternehmen in den Vordergrund zu stellen.
Fazit: Notwendigkeit einer abgewogenen Reform
Die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes ist ein komplexes und viel diskutiertes Thema, das weitreichende Implikationen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in verschiedenen Lebensbereichen hat. Der aktuelle Entwurf wird von vielen als unzureichend und rückschrittlich wahrgenommen, da er bestehende Barrieren nur unzureichend adressiert und wichtige Verpflichtungen für private Anbieter nicht einführt. Eine erfolgreiche Reform bedarf einer umfassenden Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen sowie einem klaren Bekenntnis zur Barrierefreiheit als grundlegendes Recht und gesellschaftliche Verantwortung.

