Das Potenzial von KI in der Forschung: Chancen und Herausforderungen
Die Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Wissenschaft
Der jüngste Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) hat neue Werkzeuge hervorgebracht, doch diese Veränderungen bringen nicht zwingend eine grundlegende Transformation des Wissenschaftsverständnisses mit sich. Dr. Matt Clancy, ein Fachmann für Wissenschaft und Innovation, unterstrich auf der Konferenz Metascience 2025, dass trotz faszinierender Entwicklungen die Essenz dessen, was es bedeutet, eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler zu sein, unverändert bleibt. Diese Konferenz, die vor einigen Wochen am University College London stattfand, brachte rund 650 Expertinnen und Experten sowie Delegierte aus aller Welt zusammen. Hierbei wurden verschiedene Aspekte der KI in der Forschung erörtert, einschließlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen sowie ihrer Geschichte in der Wissenschaft. Insgesamt zeigten die Diskussionen, dass die Erwartungen bezüglich der KI-Integration in die Forschung eher gedämpft waren, trotz aller Innovationen.
Die Anwendung von KI in der Wissenschaft ist keine Neuheit; sie hat eine Geschichte von mehr als fünfzig Jahren. Dr. Iulia Georgescu vom britischen Institute of Physics stellte fest, dass bereits in den 90er Jahren KI-Technologien in der Physik weit verbreitet waren. Diese historische Perspektive verdeutlicht, dass die jüngsten Entwicklungen in der KI zwar bemerkenswert sind, jedoch nicht die erste Phase ihrer Integration in die Wissenschaft darstellen. Die bisherigen Erfahrungen legen nahe, dass Erwartungen hinsichtlich der Transformationskraft von KI oft übertrieben sind, obwohl das Potenzial für bestimmte Anwendungen durchaus existent ist.
Euphorie und deren Herausforderungen
Die Begeisterung über die Fortschritte in der KI wird durch politische Unterstützung und spezifische Fallstudien unterstrichen. EU-Kommissarin Ekaterina Sachariewa sprach beispielsweise von 15 Fallstudien, die demonstrieren, wie KI den Fortschritt in den Lebenswissenschaften beschleunigt haben könnte. In ihren Aussagen wird das disruptive Potenzial von KI hervorgehoben, das Prozesse, die einst Wochen oder Monate in Anspruch nahmen, erheblich beschleunigen kann. Die Bedeutung der KI in der Wissenschaft, insbesondere in den Biowissenschaften, hat sowohl für die Europäische Kommission als auch für die Öffentlichkeit Priorität, was sich auch in den Absichten der Kommission widerspiegelt, die Technologie weiter voranzutreiben.
Zusätzlich hat Microsoft in die Diskussion um KI investiert, indem es im Juli ein Feature veröffentlichte, das die Rolle der KI in der Wissenschaft beleuchtet. Dr. Peter Lee von Microsoft Research berichtete, dass die wissenschaftlichen Entdeckungen zu den bedeutendsten Anwendungen von KI gehören. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 hat Microsoft Forschungsarbeiten veröffentlicht und neue Tools entwickelt, um in Bereichen wie Medizin und Energie voranzukommen und komplexe Fragen zu adressieren. Diese Initiativen zielen darauf ab, praxisnahe Erkenntnisse durch den Einsatz von leistungsstarker KI zu gewinnen.
Erkannte Limitierungen im Einsatz von KI
Trotz des positiven Buzz rund um KI haben Studien, wie die des Massachusetts Institute of Technology, gezeigt, dass sich die Werkzeuge der generativen KI oft auf die individuelle Produktivität beschränken, ohne signifikante strukturelle Veränderungen hervorzubringen. Ein zentrales Manko ist, dass viele dieser Systeme nicht in der Lage sind, das erhaltene Feedback für zukünftige Interaktionen zu integrieren oder sich im Kontext weiterzuentwickeln. Dies wirft Fragen hinsichtlich ihrer Nützlichkeit in der wissenschaftlichen Forschung auf.
Im August 2025 stellte Hilke Schellmann von der Columbia Journalism Review fest, dass generative KI-Tools wie ChatGPT-4o, Claude Opus 4 und andere in der Lage sind, kurze Zusammenfassungen gut zu erstellen. Bei längeren und komplexeren Texten jedoch versagen sie oft, da sie nur rund die Hälfte der in menschlich verfassten Texten enthaltenen Fakten reproduzieren. Zudem wurde die Leistung bestimmter KI-Forschungstools, darunter Elicit und Semantic Scholar, evaluiert. Die Ergebnisse zeigten üblicherweise eine hohe Diskrepanz in den identifizierten Quellen im Vergleich zu von Menschen verfassten Literaturübersichten, was die Effektivität und Zuverlässigkeit dieser Technologien in Frage stellt.
Die Herausforderungen der Relevanz und Konsistenz
Die Experimente zur Evaluation von KI-Tools ergaben enttäuschende Resultate. Lediglich das Tool Semantic Scholar konnte in einem Test signifikante Übereinstimmungen mit etwa 50 Prozent der Referenzen feststellen. Im Gegensatz dazu fanden die meisten anderen Tools weniger als 6 Prozent der Arbeiten in ihren Analysen, die in den von Menschen erstellten Übersichten zitiert wurden. Diese Ergebnisse werfen nicht nur Fragen hinsichtlich der Effizienz der KI auf, sondern auch hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Relevanz oder Bedeutung innerhalb eines wissenschaftlichen Bereichs zu definieren. Die Inkonsistenz der Ergebnisse bei wiederholten Tests verstärkt die Bedenken hinsichtlich der Verlässlichkeit von KI-gesteuerten Werkzeugen in der wissenschaftlichen Praxis.
Fazit: Die Ambivalenz der KI in der Wissenschaft
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Künstliche Intelligenz in der Wissenschaft viele Möglichkeiten bietet, jedoch auch mit klaren Herausforderungen konfrontiert ist. Die Euphorie über neue Technologien wird durch historische Perspektiven und aktuelle Limitationen relativiert. Sowohl politische als auch wirtschaftliche Akteure erkennen das Potenzial von KI, doch gleichzeitig müssen die Grenzen ihrer Anwendung und die Auswirkungen auf den wissenschaftlichen Alltag kritisch betrachtet werden.

