Ifo-Ökonom Ragnitz: Betriebsrenten-Gesetz im Osten wirkungslos
Das Ost-West-Gefälle in der betrieblichen Altersvorsorge
Das Ost-West-Gefälle in Deutschland ist ein komplexes Phänomen, das sich auch im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) zeigt. Eine wesentliche Erklärung hierfür liegt in der Unternehmensstruktur der jeweiligen Regionen. Im Osten Deutschlands gibt es verhältnismäßig viele kleinere Unternehmen. Diese spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, welche Vorsorgeformen angeboten werden. Kleinere Betriebe sind oft nicht in der Lage, umfangreiche bAV-Modelle anzubieten, hauptsächlich aus finanziellen Gründen. Dies führt dazu, dass die bAV im Osten weniger verbreitet ist als im Westen, wo größere Unternehmen und eine andere wirtschaftliche Basis vorherrschen.
Joachim Ragnitz, Vize-Chef des ifo-Instituts in Dresden, hebt hervor, dass die betriebliche Altersvorsorge vor allem in größeren Betrieben und im öffentlichen Dienst im Westen stark verbreitet ist. Das Fehlen solcher Kapazitäten in kleineren Unternehmen im Osten führt dazu, dass viele Arbeitnehmer dort nicht von diesen wichtigen Vorsorgeformen profitieren können. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf das Absicherungsniveau der Rentner im Osten.
Auswirkungen auf das Rentenniveau
Die geringere Verbreitung der bAV im Osten erklärt auch, warum das Rentenniveau in dieser Region im Schnitt niedriger ausfällt als im Westen. Fehlende betriebliche Altersvorsorge bedeutet, dass Arbeitnehmer oft auf ihre gesetzliche Rente angewiesen sind, die in vielen Fällen nicht ausreicht, um einen angemessenen Lebensstandard im Alter zu gewährleisten. Dies ist besonders besorgniserregend in einer Zeit, in der die Gesellschaft insgesamt älter wird und eine nachhaltige Altersvorsorge von entscheidender Bedeutung ist.
Der Mangel an zusätzlichen Rentenanwartschaften schürt somit die Ungleichheit zwischen den Regionen. Während im Westen Arbeitnehmer in der Regel durch betriebliche Altersvorsorge und damit verbundenen Zusatzleistungen abgesichert sind, bleibt dies im Osten häufig eine unerfüllte Notwendigkeit. Die langfristigen Folgen sind nicht nur sozialer Natur, sondern können auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die gesamte Region haben, da eine niedrigere Kaufkraft im Alter direkt mit der allgemeinen Wohlstandsentwicklung verknüpft ist.
Herausforderungen für kleinere Unternehmen
Die Herausforderungen, die kleinere Unternehmen im Osten bezüglich der bAV haben, sind vielfältig. Finanzielle Einschränkungen sind ein zentraler Aspekt. Viele dieser Unternehmen kämpfen bereits um ihre Existenz und sehen sich oft nicht in der Lage, zusätzliche finanzielle Verbindlichkeiten durch Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge anzunehmen. Stattdessen konzentrieren sie sich auf die unmittelbaren betrieblichen Notwendigkeiten, was die Einführung von Vorsorgeprogrammen in den Hintergrund drängt.
Zusätzlich kommen bürokratische Hürden hinzu, die die Einführung von bAV-Modellen erschweren können. Oftmals fehlt es an Fachkenntnissen, um passende Angebote zu entwickeln und zu verwalten. Dies führt dazu, dass auch potenzielle Initiativen zur Förderung der bAV nicht in die Tat umgesetzt werden. Das Ergebnis ist eine fortwährende Benachteiligung der Arbeitnehmer im Osten, die nicht nur aktuelle, sondern auch zukünftige Generationen betreffen könnte.
Politische und gesellschaftliche Initiativen
Um die Situation der betrieblichen Altersvorsorge im Osten zu verbessern, sind gezielte politische und gesellschaftliche Initiativen essenziell. Diese könnten darauf abzielen, kleinere Unternehmen durch finanzielle Anreize oder geringere bürokratische Hürden zu unterstützen. Beispielsweise könnten staatliche Förderungen für die Einführung von bAV-Programmen den Unternehmen einen Anreiz bieten, solche Modelle zu entwickeln. Des Weiteren wäre die Sensibilisierung der Arbeitnehmer für die Bedeutung der bAV ein Schritt in die richtige Richtung, um eine breitere Akzeptanz zu fördern.
Zusätzlich könnte auch die Schaffung eines einheitlichen Rahmens für die bAV in Deutschland als Lösungsansatz dienen. Eine bundesweit einheitliche Regelung würde es ermöglichen, dass Unternehmen in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen von Vorteilen profitieren und die Unterschiede in der Altersvorsorge ausgeglichen werden können.
Fazit: Ungleichheiten in der Altersvorsorge
Die Betrachtung des Ost-West-Gefälles in der betrieblichen Altersvorsorge zeigt deutlich die bestehenden Herausforderungen und Ungleichheiten. Die starke Verbreitung der bAV im Westen gegenüber den im Osten messbaren Defiziten ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Es bedarf gezielter Initiativen, um diese Disparitäten abzubauen und eine gerechtere Altersvorsorge für alle zu ermöglichen.

