EU AI Act: Chancen und Pflichten für Steuerberater
Der EU AI Act: Ein Leitfaden für Steuerkanzleien
Der EU AI Act setzt klare Rahmenbedingungen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in verschiedenen Branchen, einschließlich der Steuerberatung. Diese Regelung, die bis spätestens August 2026 vollständig in Kraft treten muss, hat bedeutende Auswirkungen auf die Arbeitsweise von Steuerkanzleien. Im Rahmen eines Gesprächs mit Ernst Tappe, dem Gründer und Geschäftsführer der KI-Trainingszentrum GmbH, werden die Möglichkeiten und Verpflichtungen erläutert, die sich aus dieser neuen Gesetzgebung ergeben. Es zeigt sich, dass KI bereits in einigen Steuerkanzleien zum Einsatz kommt, jedoch unterschiedlich verbreitet ist und viele Kanzleien noch vorsichtig an ihre Implementierung herangehen.
Aktueller Stand des KI-Einsatzes in Steuerkanzleien
Studien belegen, dass etwa ein Drittel der Steuerkanzleien in Deutschland heute bereits KI-gestützte Tools verwendet. Besonders größere Kanzleien sind dabei oft Vorreiter, während kleinere Kanzleien häufig zögern, aus Mangel an Know-how oder finanziellen Ressourcen. Es besteht eine spürbare Aufbruchstimmung, begleitet von einer gesunden Skepsis gegenüber den neuen Technologien. In der Praxis sind Anwendungen wie Belegerkennung, Textanalyse und automatisierte Mandantenkommunikation bereits störungsfrei im Einsatz. KI ermöglicht es Beratern, neue Urteile und Gesetzesänderungen innerhalb kürzester Zeit zu recherchieren, was die Effizienz merklich steigert. Dies befreit Kapazitäten, die für persönliche Beratungen genutzt werden können. Beispielsweise berichtete ein Steuerberater, dass er früher einen ganzen Tag für die Bewertung eines Urteils benötigte, jetzt jedoch dank KI nur noch vier Stunden dafür aufwenden muss.
Risikoeinschätzung nach dem AI Act
Der AI Act unterscheidet verschiedene Risikokategorien für KI-Systeme, was für Steuerkanzleien erhebliche Auswirkungen hat. Dazu gehört die entscheidende Frage, ob das eingesetzte Tool eigenständig rechtliche Entscheidungen trifft oder lediglich Unterstützungsfunktionen bietet. Risikoarme Systeme wie Textassistenten fallen nicht unter strenge Auflagen, während beispielsweise Tools zur Mandanteneinstufung als hochriskant eingestuft werden können. In solchen Fällen sind umfangreiche Dokumentations- und Prüfpflichten notwendig. Daher sollten Kanzleien stets analysieren, inwiefern ihre gewählten Tools Menschentscheidungen ersetzen oder nur unterstützen.
Rechtliche Verantwortung als Nutzer von KI-Systemen
Steuerkanzleien, die KI-Anwendungen von Drittanbietern einsetzen, tragen eine Reihe eigener rechtlicher Pflichten. Es ist wichtig, die Systeme auf ihre ordnungsgemäße Kennzeichnung zu prüfen und sicherzustellen, dass eine Konformitätserklärung vorliegt. Seriöse Anbieter stellen diese Informationen bereit; dennoch bleibt die Verantwortung bei der Kanzlei, die Nutzung transparent zu dokumentieren und die Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Insbesondere hat die Verarbeitung von Mandantendaten nach den Regeln der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu erfolgen, auch wenn der Anbieter der technischen Lösung verantwortlich ist. Praktisch bedeutet dies: Vor dem Einsatz einer Technologie ist eine gründliche Prüfung erforderlich, und während der Nutzung muss eine kontinuierliche Überwachung stattfinden. Klare interne Richtlinien und Schulungsprogramme sind unerlässlich, um Compliance und Sicherheit zu gewährleisten.
Fazit: Strategische Implementierung von KI in Steuerkanzleien
Die Zukunft von Steuerkanzleien wird zunehmend durch den Einsatz von KI geprägt werden. Um die Potentiale dieser Technologien sinnvoll zu nutzen, sollten Kanzleien klare Strategien entwickeln und von vertrauenswürdigen Anbietern geprüfte Lösungen wählen. Die Einführung von KI kann Kosten sparen und die Effizienz erhöhen, wodurch mehr Zeit für strategische Beratung bleibt. Längerfristig sollten Kanzleien sich als lernende Organisationen verstehen, die KI nicht nur als Technikprojekt, sondern als Teil ihrer Entwicklung begreifen. Mit einem klaren Fokus auf Schulungen und Verantwortlichkeiten können sie das Vertrauen von Mandanten und Behörden gewinnen und die Chancen der neuen Technologien voll ausschöpfen.

