Kulturkonflikt: Deutsche, Antideutsche und gesellschaftliche Werte
Die Kolumne „Der hässliche Deutsche“ von Otto Köhler
In den Jahren 1980 bis 1982 veröffentlichte Otto Köhler in der Zeitschrift Konkret eine Kolumne mit dem Titel „Der hässliche Deutsche“. Darin stellte er verschiedene Persönlichkeiten vor, die repräsentativ für die Bundesrepublik Deutschland standen, die sich politisch modernisiert und demokratisiert hatte, jedoch gleichzeitig von ihrer belasteten Vergangenheit geprägt war. Zu den Porträtierten gehörten unter anderem der damalige Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, der Kultusminister von Baden-Württemberg Gerhard Mayer-Vorfelder sowie die Gründerin des Allensbach Instituts, Elisabeth Noelle-Neumann. In dieser Kolumne wurden auch bedeutende Politiker wie Birgit Breuel, Uwe Barschel und Jürgen Möllemann thematisiert.
Köhler wählte überwiegend Persönlichkeiten aus den Reihen der CDU und gelegentlich der FDP aus, was jedoch nicht allein auf eine politische Ausrichtung abzielte. Vielmehr ging es ihm darum, das postnazistische Erbe der Bundesrepublik Deutschland kritisch zu reflektieren. Er stellte fest, dass diese Individuen, anstatt sich in der Vergangenheit zu verankern, gesellschaftlichen Fortschritt in einer Form umsetzten, die die dunkle Geschichte bemüht, aber nicht ungebrochen überlieferte.
Ein besonderes Augenmerk legte Köhler auf den Begriff der Schönheit, der in Deutschland historisch konnotiert und von ambivalenten Vorstellungen geprägt ist. Die kolonialhistorischen Wurzeln der Idee von Schönheit und die stete Unsicherheit darüber, was als schön gilt, sind zentrale Themen in seinen Überlegungen. Insbesondere Deutsche scheinen sich schwer damit zu tun, Schönheit als etwas zu betrachten, das mehr ist als eine oberflächliche Erscheinung.
Das Konzept der deutschen Schönheit
Die Auffassung von deutscher Schönheit zeigt sich in einem Spannungsfeld zwischen Ideal und Realität. Köhler argumentierte, dass das, was unter dem Begriff „deutsche Schönheit“ verstanden wird, oft mit dem ungeschönten Ausdruck der Wirklichkeit konfrontiert werden muss. Diese Dualität zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren spiegelt sich in den gesellschaftlichen Normen wider. Das Konzept der Schönheitsideale in Deutschland, oft auf Reinheit und Ungetrübtheit bezogen, wird im Kontext von gesellschaftlichen Verwerfungen und historischen Schattierungen hinterfragt. Köhler schätzte, dass die Ideale von Extravaganz und dem Unverfälschten, die mit dem Ästhetischen verbunden sind, oft als bedrohlich oder dämonisch wahrgenommen werden.
Diese Sichtweise bringt zum Ausdruck, dass Schönheit nicht nur positiv konnotiert ist, sondern auch ambivalente Gefühle und gesellschaftliche Herausforderungen birgt. Der Begriff der Schönheit wird nicht einfach als ideologisch geprägt verstanden, sondern auch als ein produktives Element, das zur Reflexion über die eigene Identität anregt. Diese Komplexität finde sich in der kritischen Rezeption von Kunst und Kultur wieder, wo Schönheit sowohl Fetisch als auch Tabu sein kann.
Die Rolle der Romantik in der Schönheitstheorie
Ein weiterer zentraler Aspekt in Köhlers Abhandlungen ist der Rückgriff auf die deutsche Romantik. Diese Bewegung wird oft als Maßstab für deutsche Schönheit herangezogen. Köhler kritisierte die Tendenz, alles Schöne mit romantischen Vorstellungen zu verknüpfen, ohne die Fragen nach der kulturellen und politischen Verantwortung zu stellen. Im Zusammenhang mit der Romantik treten nicht nur ästhetische Fragen auf, sondern auch moralische, die sich auf die politischen Strömungen und deren Einfluss auf die Wahrnehmung von Schönheit beziehen.
In einem aktuellen Diskurs über die deutsche Identität wird oft der Eindruck erweckt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem kulturellen Erbe und einem romantisierten Bild von Schönheit gibt. Diese Wahrnehmung führt jedoch dazu, dass komplexe historische Zusammenhänge, wie die Entwicklung der deutschen Identität über die Jahrhunderte hinweg, nicht ausreichend gewürdigt werden. Der unreflektierte Bezug auf romantische Ästhetik kann bestehende Ambivalenzen und die Risiken von Klischees zementieren, anstatt sie produktiv aufzulösen.
Ästhetik als Mittel zur Ambivalenzbewältigung
Die Diskussion über deutsche Schönheit zieht sich durch verschiedene gesellschaftliche und kulturelle Schichten. Köhler wies darauf hin, dass Schönheit nicht nur eine Frage des Geschmacks ist, sondern auch tief in gesellschaftlichen Normen und Ideologien verwurzelt ist. Die Unterscheidung zwischen ästhetischen, politischen und moralischen Begriffen gerät in Deutschland zunehmend aus dem Gleichgewicht. Dies zeigt sich beispielsweise in der populären Kultur, wo Ästhetik oft als Mittel zur Überwindung von Ambivalenzen dient.
Kritischen Stimmen zufolge bleibt der Diskurs um Schönheit und deren Repräsentation in den Medien oftmals an der Oberfläche. Bei der Analyse von Symbolen und Ikonographien wird häufig nicht der historische Kontext berücksichtigt, was zu einer Vereinfachung und Verflachung von Debatten führt. Dies wird in der Behandlung von Persönlichkeiten wie Marlene Dietrich deutlich, deren biografische und historische Dimensionen oft unter den Tisch fallen, wenn sie als Inbegriff deutscher Schönheit etikettiert wird. Der Verweis auf romantische Schönheitsideale kann als das Verdrängen einer vielschichtigen Realität verstanden werden.
Fazit: Der begriffliche Umgang mit Schönheit
Der diskursive Umgang mit dem Konzept der Schönheit in Deutschland ist von historischen, politischen und ästhetischen Spannungen geprägt. Die Reflexion über Schönheit sollte nicht in der Vereinfachung enden, sondern die vielfältigen Inkorporationen von Vergangenheit und Identität ernsthaft in Betracht ziehen. Schönheitsvorstellungen sind nie statisch, sondern unterliegen einem ständigen Wandel, der nicht nur kulturelle, sondern auch gesellschaftliche Dimensionen umfasst. Otto Köhlers Werk regt dazu an, die Komplexität von Schönheit im Kontext der deutschen Identität kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen.

