Debatte im Bundestag über sexuelle Identität und ihre Auswirkungen
Einführung in den Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, präsentiert von den Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, erhielt bei einer öffentlichen Anhörung am 12. Februar 2020 im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz breite Zustimmung von Sachverständigen. Dieser Entwurf zielt darauf ab, das Merkmal der sexuellen Identität in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes zu integrieren. Laut den Ausführungen im Gesetzentwurf hat sich die rechtliche Situation von Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Deutschland erheblich verbessert. Dennoch bestehen nach wie vor gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Homosexuellen, die sich in Diskriminierung äußern. Besonders wird darauf hingewiesen, dass das allgemeine Diskriminierungsverbot nicht den erforderlichen Schutz bietet, den diese Gruppen benötigen.
Argumente für die Verfassungsänderung
Die Sachverständigen betonen die gewichtigen Gründe, die für die vorgeschlagene Verfassungsänderung sprechen. Prof. Dr. Sigrid Boysen von der Universität der Bundeswehr in Hamburg hebt hervor, dass die Einfügung der sexuellen Identität als klassischer Diskriminierungsgrund angesehen werden muss. Sie argumentiert, dass es notwendig sei, diesen Aspekt gleichrangig mit anderen Diskriminierungsmerkmalen im Grundgesetz zu behandeln. Dabei wird angemerkt, dass das Argument, diese Maßnahme sei „reine Symbolpolitik“, nicht overtuigd. Auch wird die Frage aufgeworfen, warum der Gesetzentwurf nur die sexuelle Orientierung thematisiert, während trans- und intergeschlechtliche Menschen auf den bestehenden Diskriminierungsschutz verweisen müssen. Diese Diskrepanz könnte die Dringlichkeit der Gesetzesänderung untergraben.
Strukturelle Diskriminierung von LSBTI-Menschen
Laut Dr. Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte sind, trotz positiver rechtlicher Entwicklungen, Schwule, Lesben, Bisexuelle sowie transsexuelle, transgeschlechtliche und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) nach wie vor strukturell diskriminiert. Eine Ergänzung des Diskriminierungsverbots um diese Merkmale wird als notwendig erachtet, um noch bestehende Ungleichheiten zu beseitigen. Axel Hochrein vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) bestätigt diese Sicht, indem er darauf hinweist, dass die Ergänzung des Grundgesetzes sowohl historisch als auch wegen fortdauernder Diskriminierung entscheidend ist. Obwohl bereits viele diskriminierende Gesetze abgeschafft wurden, bleibt eine grundgesetzliche Verankerung der sexuellen Identität unerlässlich.
Diskriminierungsschutz als verfassungsrechtliche Pflicht
Ein zentraler Punkt, den Prof. Dr. Ulrike Lembke von der Humboldt-Universität Berlin anspricht, ist die Notwendigkeit rechtlicher Maßnahmen gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Identität. Sie weist darauf hin, dass in Europa zunehmend politische Strömungen erkennbar sind, die nicht heterosexuelle Lebensweisen ablehnen. Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, Diskriminierungsschutz als Minderheitenschutz im demokratischen Rechtsstaat zu gewährleisten. Die Notwendigkeit einer klaren rechtlichen Situation wird auch von Prof. Dr. Anna Katharina Mangold von der Europa-Universität Flensburg betont, die feststellt, dass Diskriminierung aufgrund sexueller Identität in Deutschland nicht akzeptabel sein sollte. Alle demokratischen Parteien müssten sich für den Schutz vulnerabler Gruppen einsetzen.
Die Bedeutung der Ergänzung des Grundgesetzes
Prof. Dr. Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer hebt hervor, dass das aktuelle Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes nicht auf die sexuelle Orientierung oder Identität ausgeweitet ist. Die geplante Einfügung stellt somit eine wichtige Schließung einer rechtlichen Schutzlücke dar, zumal auch historisch gesehen, Menschen wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt wurden. Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg fügt hinzu, dass die vorgeschlagene Ergänzung zwar im Moment nicht zu einer signifikanten Verbesserung des rechtlichen Schutzes führen mag, jedoch eine wichtige Symbolik und Signalwirkung für die Gesellschaft darstellt. Die politische Entscheidung darüber, ob diese Ergänzung umgesetzt wird, bleibt jedoch wichtig.
Fazit: Notwendigkeit der gesetzlichen Verankerung
Insgesamt zeigt die Anhörung, dass eine umfassende Diskussion über Gleichheit und den Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Identität notwendig ist. Die Experten sind sich einig, dass die gesetzliche Verankerung dieser Merkmale im Grundgesetz ein wichtiger Schritt Richtung Gleichstellung und Schutz für alle wird. Eine klare rechtliche Grundlage könnte entscheidend dazu beitragen, Diskriminierungen zu bekämpfen und gesellschaftliche Akzeptanz für alle sexuellen Identitäten zu fördern.

