Freiversion von ChatGPT: Hausarbeit zum Schuldrecht
Ein Praxistest an der Ruhr-Universität Bochum
Aktuell wird viel über die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Juristenausbildung diskutiert. Im Rahmen eines Experiments an der Ruhr-Universität Bochum haben Dr. Jan David Hendricks und Fabien Josten ChatGPT genutzt, um eine offizielle Hausarbeit zu erstellen. Diese Maßnahme zielte darauf ab, die Frage zu klären, inwieweit es möglich ist, mit Hilfe von frei zugänglicher generativer KI-Software eine juristische Prüfungsarbeit zu bestehen. Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen, wie sich die Nutzung durch Studierende auf die Anforderungen an das Prüfungsformat Hausarbeit auswirken könnte.
Generative KI-Systeme können in unüberwachten Prüfungen zwar verboten werden, jedoch ist die Kontrolle über solch ein Verbot äußerst schwierig. Universitäten versuchen, dieser Problematik durch Selbstverpflichtungserklärungen und Kennzeichnungspflichten zu begegnen. Kritiker stellen auch in Frage, ob ein generelles Verbot von KI in den Prüfungen legitim ist. Während des Experiments wurde eine Hausarbeit im Bereich des Allgemeinen Schuldrechts angefertigt, deren Ziel es war, zu überprüfen, ob Studierende mit den Methoden der KI ein akzeptables Ergebnis erzielen können.
Die Schritte zur Erstellung der KI-Hausarbeit
Für den Praxistest wurden mehrere Schritte unternommen, um eine vollständige Hausarbeit mit ChatGPT zu generieren. Zunächst war es wichtig, zwei spezifische Prompts zu formulieren: einen für eine Lösungsskizze und einen für das ausformulierte Gutachten. Diese Prompts wurden verfeinert, um sicherzustellen, dass sie aufeinander aufbauen und die gleichen Schwerpunkte behandeln. Im zweiten Schritt wurde eine detaillierte Lösungsskizze erstellt, in die der Sachverhalt zusammen mit einem Lehrbuch für Schuldrecht eingegeben wurde.
Im dritten Schritt dagegen musste das generierte Gutachten in mehrere Teile aufgeteilt werden, da die Aufgabenstellung zu umfangreich war, um sie in einem einzigen Durchlauf zu verarbeiten. Hierbei war es essentiell, dass die KI in der Lage war, die erforderlichen Schwerpunkte innerhalb des Gutachtens zu setzen. Abschließend wurde im vierten Schritt der Fußnotenapparat erstellt, wobei es wichtig war, manuell die notwendigen Quellenangaben einzufügen, da ChatGPT keinen Zugriff auf juristische Datenbanken hatte.
Die Ergebnisse der Korrekturen
Die KI-generierte Hausarbeit wurde von vier unvoreingenommenen Korrektoren bewertet. Ihre Rückmeldungen ergaben eine Note von 3, 6, 6 und 8 Punkten, was im Durchschnitt 5,75 Punkten entspricht. Diese Bewertung liegt nahe am Gesamtdurchschnitt von 6,05 Punkten bei 241 Arbeiten. Bemerkenswert ist, dass keiner der Korrektoren über die Möglichkeit eines Täuschungsversuchs nachdachte. Stattdessen wiesen sie auf den mangelnden Normbezug und die teilweise unzureichende Schwerpunktsetzung der Arbeit hin. Gleichzeitig wurden jedoch die juristisch korrekten Ergebnisse und das Verständnis für komplexe Normen positiv hervorgehoben.
In den Arbeiten, die die Note 6 und 8 erhielten, wurde die Argumentation als sachgerecht bezeichnet, wenngleich auch hier angemerkt wurde, dass einige Detailfragen nicht tief genug behandelt wurden. Die Auswertung zeigt, dass ChatGPT in der Lage ist, eine Hausarbeit im Bereich des Schuldrechts erfolgreich zu bestehen, wenn auch nicht mit Bestnoten.
Implikationen für das Prüfungsformat Hausarbeit
Die klaren Befunde dieser kleinen Stichprobe werfen Fragen zum traditionellen Prüfungsformat auf. Eine rein KI-generierte Arbeit kann zwar keine Spitzenbewertungen erzielen, jedoch ist es offensichtlich, dass Studierende mit dieser Technologie tatsächlich die Möglichkeit haben, ein durchschnittliches Ergebnis zu erreichen. Der notwendige Aufwand für die Erstellung einer solchen Arbeit besteht weniger im Schreiben selbst, sondern vielmehr in der sorgfältigen Vorbereitung der Prompts sowie der Nacharbeit bei den Quellen und Formalien. Hier zeigt sich, dass die Grenze zwischen Eigenleistung und der Unterstützung durch KI zunehmend verschwimmt.
Angesichts der Einfachheit, mit der durch das Generieren einer Lösungsskizze bereits klare Fortschritte gemacht werden können, könnte die Rolle der KI in der Juristenausbildung weiter zunehmen. Aus den Ergebnissen des Tests ergibt sich die Vermutung, dass die althergebrachte Hausarbeit als Prüfungsformat in Zukunft hinterfragt werden muss. Perspektivisch könnte es von Interesse sein, den Versuch mit größeren Probandengruppen durchzuführen oder sogar kostenpflichtige Versionen von KI-Tools zu testen, um zu klären, inwieweit auch Fußnoten und Literaturverzeichnisse KI-generiert werden können.
Fazit: Auswirkungen auf die Juristenausbildung
Zusammenfassend zeigt der Test, dass die traditionellen Anforderungen an Hausarbeiten im Jurastudium durch den Einsatz von KI erheblich herausgefordert werden. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich das Prüfungsformat verändern könnte, um sich an die neuen Möglichkeiten der Technologie anzupassen. Der Schlüsselfaktor wird dabei die Fähigkeit der Studierenden sein, die KI als Werkzeug zur Verbesserung ihrer eigenen Leistungen zu nutzen.

