Ab April 2024 soll Cannabis in Deutschland freigegeben werden, parallel dazu soll auch ein neuer gesetzlicher THC-Grenzwert für den Straßenverkehr vorliegen. Geplant ist ein Grenzwert für den Wirkstoff THC im Blut – so wie die 0,5-Promille-Grenze beim Alkohol.
Gegenwärtig liegt der Grenzwert in Deutschland bei 1 Nanogramm (ng) THC pro Milliliter Blut für gelegentliche Konsumenten und bei 3 ng/ml für regelmäßige Konsumenten.
Unterschiedliche Grenzwerte je nach Konsumverhalten, wie kann das sein? Und warum gilt das nicht für Alkohol? Und wieso ist der Grenzwert für gelegentliche Konsumenten in Frankreich nur halb so hoch, aber in den Niederlanden dreimal so hoch?
Warum ist ein Cannabis-Grenzwert schwer festzumachen?
Dass der Konsum von Cannabis das Fahrverhalten beeinflussen kann, ist unbestritten: Cannabis enthält psychoaktive Substanzen wie Tetrahydrocannabinol (THC), die auf das zentrale Nervensystem wirken und für die Rauschwirkung verantwortlich sind.
Aber im Gegensatz zu Alkohol, dessen Auswirkungen relativ schnell spürbar sind und mit der Blutalkoholkonzentration korrelieren, kann die Wirkung von Cannabis verzögert auftreten und auch nach dem Konsum noch einige Zeit anhalten.
Anders als beim Alkohol, bei dem eine bestimmte Blutalkoholkonzentration (BAC) relativ zuverlässig mit einem bestimmten Grad der Beeinträchtigung und einem erhöhten Unfallrisiko korreliert, ist die Beziehung zwischen der im Blut gemessenen THC-Konzentration und der Fahrfähigkeit weniger klar. Es gibt keine eindeutige Schwelle, ab der jemand sicher fahren kann oder nicht.
Auch deshalb ist es schwierig, einen einheitlichen Grenzwert für Cannabis im Straßenverkehr festzulegen, der sowohl wissenschaftlich fundiert als auch praktisch anwendbar ist.
Warum schwankt der THC-Gehalt?
Beim Kiffen steigt die THC-Konzentration im Blut zunächst stark an, fällt dann aber erst mal ebenso schnell wieder ab. Denn das THC verteilt sich im gut durchbluteten Gewebe wie der Lunge, dem Herz, der Leber oder dem Gehirn und lagert sich zunächst im Fettgewebe ab. Von dort gelangt es dann in den kommenden Tagen und Wochen wieder zurück in die Blutbahn. Deshalb lässt sich Cannabis-Konsum auch noch Wochen später nachweisen.
Die Art, wie Cannabis konsumiert wird, beeinflusst die Geschwindigkeit und die Konzentration von THC im Blut. Das Rauchen von Cannabis führt zu einer schnelleren Aufnahme von THC und zu höheren Konzentrationen im Blut. Nach dem Verzehr von Cannabisprodukten wie Keksen oder Tees muss THC zuerst durch den Verdauungstrakt gehen und dann von der Leber metabolisiert werden, bevor es in den Blutkreislauf gelangt. Die Wirkung kann erst nach 30 Minuten bis zu mehreren Stunden eintreten. Obwohl die Wirkung langsamer eintritt, kann sie auch länger anhalten, da THC durch den Verdauungstrakt langsamer abgebaut wird.
Aber die Auswirkungen von Cannabis auf die kognitive Funktion, auf Koordination, Reaktionszeit und Wahrnehmung können je nach individueller Empfindlichkeit und Konsumgewohnheiten stark von Person zu Person variieren. Und damit auch die Fähigkeit zum sicheren Führen eines Fahrzeugs.
Wie vermindert Cannabis die Fahrtüchtigkeit?
Häufig fallen bekiffte Fahrer auf, weil sie besonders langsam fahren. Sie bemerken ihre Einschränkungen selber und wollen sie kompensieren – statt den Wagen stehen zu lassen.
Denn Cannabis kann die Reaktionszeiten verlangsamen. Fahrer reagieren also möglicherweise langsamer auf verändernde Verkehrssituationen, zum Beispiel beim Bremsen oder Ausweichen von Hindernissen. Außerdem mindert Cannabis-Konsum die Aufmerksamkeit und Konzentration. Fahrer können wichtige Verkehrsschilder, Fußgänger oder andere Fahrzeuge übersehen.
Der Konsum von Cannabis kann aber auch das Urteilsvermögen beeinträchtigen. Fahrer treffen dann riskantere Entscheidungen, fahren zu schnell oder ignorieren Vorfahrtsregeln. Die motorischen Fähigkeiten können durch den Cannabis-Konsum eingeschränkt und die Raum- und Zeitwahrnehmung verändert werden. Fahrer können dann die Geschwindigkeit und Entfernung anderer Fahrzeuge schwerer einschätzen.
Welche Regeln gelten international?
Die Regelungen zum Cannabiskonsum im Straßenverkehr variieren je nach Land erheblich.
Einige Länder wie Schweden haben eine Nulltoleranzpolitik im Straßenverkehr, egal ob Cannabis oder Alkohol, jeglicher Nachweis von Drogen im Blut kann also zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, unabhängig von der Menge oder von einer tatsächlichen Beeinträchtigung.
Andere Länder haben festgelegte Grenzwerte für den THC-Gehalt im Blut oder im Speichel. Die variieren aber erheblich je nach Land. Frankreich: 0,5 ng/ml THC im Blut, Schweiz: 1,5 µg/l THC im Blut, Niederlande: 3 ng/ml THC im Blut. Manchmal wird auch nach Fahrerfahrung unterschieden. Kanada: Anfänger 2 ng/ml THC oder erfahrener Fahrer 5 ng/ml THC im Blut.
Einige Länder verwenden kombinierte Ansätze, bei denen neben festgelegten Grenzwerten auch Verhaltensbeobachtungen und standardisierte Feldtests durchgeführt werden, um die Fahrtauglichkeit zu bewerten. Dies ist beispielsweise in den USA der Fall, wo einige Bundesstaaten Grenzwerte für THC im Blut haben, aber auch die Möglichkeit besteht, eine Fahruntüchtigkeit aufgrund von Verhaltensindikatoren festzustellen.
Warum braucht es einen Grenzwert?
Grenzwerte im Straßenverkehr dienen als objektive Maßnahme, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten, unabhängig davon, ob eine Person subjektiv glaubt, dass sie noch fahrtüchtig ist.
Selbst wenn regelmäßige Cannabis-Konsumenten wie auch Alkohol-Konsumenten individuell keine Verhaltensauffälligkeiten zeigen, braucht es einen verbindlichen Grenzwert. Und wenn ein Grenzwert bei Cannabis wissenschaftlich schwer zu bestimmen ist, muss diese Obergrenze dann eben politisch durch den Gesetzgeber festgelegt werden.