Satellitennavigation ist aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Die GPS-Geräte im Auto, Smartphone oder der Uhr würden nicht mehr funktionieren – wir würden wohl nur mit großen Schwierigkeiten von A nach B finden.
Doch nicht nur im Privaten, auch in wirtschaftlichen und öffentlichen Bereichen sind Navigationsdaten mittlerweile unerlässlich – sei es für automatisierte Prozesse in der Landwirtschaft, Satellitensignale in Stromnetzen, in Telekommunikationsnetzen oder bei Finanztransaktionen. GPS gehört zur Grundausstattung im Flug- und Schiffsverkehr.
Und genau dort wird auch gerade wieder deutlich, dass das System angreifbar ist.
Jamming: Gestörte Satellitensignale sind keine Seltenheit
Seit Dezember verfolgen Sicherheitsexperten gezielte Störungen – Jamming oder Spoofing genannt – der Satellitennavigation im Ostseeraum bis nach Deutschland. Es werden „sporadisch aus dem nordöstlichen Bereich des deutschen Luftraums Störungen der vom Satellitennavigationssystem ‚Global Positioning System‘ (GPS) ausgestrahlten Navigationssignale gemeldet“, teilte das Bundesverkehrsministerium (BMDV) der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mit.
Deutsche Sicherheitsforscher, Luftfahrtexperten und Militärs verfolgen die GPS-Störungen ziemlich genau und auch eine konkrete Ortung der Störquellen ist möglich. Zu den Ergebnissen wird öffentlich allerdings keine Auskunft gegeben. Einen konkreten Verdacht gibt es laut dpa aber: Russland, das nach unterschiedlichen Berichten auch seine eigenen Städte mit einer Art Störschirm gegen Angriffe schützt, wie sie die Ukraine als Teil ihrer Verteidigung mit Drohnen fliegt.
Solche Störungen sind nichts Neues. GPS-Störungen werden weltweit registriert. So warnte Indiens Luftfahrtbehörde DGCA die Ende 2023, dass mehrere zivile Flüge aus Indien in der Nähe des Irans vom Kurs abkamen, nachdem ihre Navigationssysteme versagt hatten. Offenbar wurde ihr GPS-Signal manipuliert. Eines der Flugzeuge flog schließlich fast unerlaubt in den iranischen Luftraum. Auch die Luftfahrtvereinigung OPSGROUP hat seit Ende September 2023 mehr als 50 solcher Vorfälle von Passagierflugzeugen registriert. Auf der Website werden regelmäßige Updates veröffentlicht.
Nicht nur in der Luft, auch auf See sind diese Störungen problematisch. So zeigte eine Studie aus dem Jahr 2019, dass Tausende von Schiffen in der Nähe des Hafens von Shanghai von fatalen Störungen betroffen waren. Es tauchten Schiffe auf den Bildschirmen des Automatischen Identifikationssystem (AIS) auf, wo in Wirklichkeit keine waren. Es wurden Frachter in voller Fahrt angezeigt, die eigentlich im Hafen lagen. Eine bis dato der größten maritimen GPS-Attacken.
Gezielte Störungen von Satellitensignalen kommen häufig in Krisenregionen , etwa am Schwarzen Meer oder im Nahen Osten vor, insbesondere dem östlichen Mittelmeerraum, Irak, Libanon, Libyen, Zypern, der Türkei und Armenien. Auf einer Karte namens GPSJAM.org sind aktuelle Störungen visualisiert. Diese basieren auf Daten von Flugzeugen, die Informationen über die GPS-Genauigkeit enthalten.
Doch auch schon früher, bevor Navigationssatelliten betroffen waren, gab es Jamming. Dann waren etwa Kurzwellen-Radioprogramme oder über Satelliten ausgestrahlte Fernsehsendungen betroffen, die zum Beispiel Menschen in bestimmten Gebieten nicht empfangen sollten.
Wie funktioniert GPS?
Genau genommen ist das, was wir als GPS bezeichnen, also ein System zur Positionsbestimmung via Satelliten, eigentlich „GNSS“: Global Navigation Satellite System. GPS, das NAVSTAR Global Position System, ist nur ein Teil davon.
Weltweit gibt es vier Hauptsysteme: Neben GPS von den USA auch Galileo von der EU, GLONASS von Russland und Beidou von China. Während alle anderen Systeme primär auf die militärische Nutzung ausgerichtet sind, ist Galileo das einzige System unter rein ziviler Kontrolle. Mit Galileo wurde Ende Januar 2023 eine Genauigkeit erreicht, die die konkurrierenden Systeme GPS, GLONASS und Beidou um mehr als den Faktor 10 übertrifft. Allerdings unterstützen noch nicht alle Geräte Galileo.
Das NAVSTAR GPS gilt daher immer noch als Referenz und wird am häufigsten verwendet. In rund 20.000 Kilometern Höhe umkreisen die Satelliten die Erde. Mithilfe von Empfängern und Algorithmen werden Positions-, Navigations- und Zeitdaten (kurz: PNT) für Luft-, See- und Landreisen synchronisiert. Um die genaue Position zu berechnen, muss ein GPS-Gerät das Signal von mindestens vier Satelliten lesen können.
Jamming und Spoofing: Wie werden GPS-Signale gestört?
Doch die Signalübertragung funktioniert nicht immer reibungslos. Beim Jamming (deutsch: Störung) sendet ein Störsender ein Signal aus, welches das originale, aber schwächere Signal überlagert, sodass der Empfänger das echte Satellitensignal nicht mehr vollständig entschlüsseln kann.
Durch andere Funksignalquellen kann Jamming unbeabsichtigt erfolgen – etwa durch Radar- oder Kommunikationssysteme auf benachbarten Frequenzen. Jamming kann aber auch vorsätzlich eingesetzt werden. Vorsätzliches Jammen mit GNSS-Störsendern ist in den meisten Ländern illegal, im Internet sind Equipment und Anleitungen aber problemlos erhältlich.
Beim sogenannten Spoofing (deutsch: Manipulation) werden absichtlich falsche PNT-Daten übertragen, um den Nutzenden die wahre Position zu verschleiern. Sie erhalten falsche Navigationsdaten. Beim Spoofen sind komplexere Geräte notwendig, um die Satellitensignale vorzutäuschen.
Gegenmaßnahmen: Was hilft gegen Jamming und Spoofing?
Da sich Piloten und Schiffskapitäne auf mehrere Systeme stützen, besteht nach Einschätzen von Forschenden des Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) für diese „keine akute Gefährdung“. Unbedeutend sind die Störungen dennoch nicht. „Allerdings kam es schon zu Routenänderungen und Flugausfällen“, schreiben sie. Besonders Spoofing-Attacken in der Luft und auf See können Chaos auslösen, wie die Beispiele oben zeigen.
Mit Blick auf die Entwicklung zukünftiger Technologien zur Positionsbestimmung, die für den zunehmenden Verkehr und die Automatisierung im Mobilitätssektor notwendig sind, sei man aber „gut beraten, solche Störungen ernst zu nehmen und bei derartigen zukünftigen Technologieentwicklungen zu berücksichtigen“.
Am DLR-Institut für Kommunikation und Navigation wird bereits an alternativen Navigationssystem gearbeitet, zum Beispiel an „R-MODE“. Es laufe derzeit in der Ostsee im Testbetrieb und ermögliche Schiffen eine Positionsbestimmung auch bei GNSS-Störungen durch die Nutzung anderer Funksignale. Eine vergleichbare Alternative gebe es mit „LDACS-NAV“ auch für die Luftfahrt.