Berlin (ots) – Für Kai Wegner war es ein erfolgreicher Landesparteitag seiner CDU im Neuköllner Estrel Hotel. Fast 95 Prozent der Basisvertreter unterstützten den Regierenden Bürgermeister und wählten ihn erneut zum Landesvorsitzenden. Wie üblich bleibt die CDU geschlossen, wenn sie regiert. Nur 61 Delegierte stimmten trotz Wegners eindringlicher Werbung gegen seine Generalsekretärin Ottilie Klein.
Wegner, der in den letzten Jahren viel Zeit als Generalsekretär und Landeschef mit Parteiarbeit verbracht hat, will die CDU nun jedoch hintenanstellen. Berlin soll für ihn an erster Stelle stehen. Er möchte für alle Berlinerinnen und Berliner da sein, nicht nur für diejenigen, die ihm und seiner Partei im Februar den Wahlsieg beschert haben.
In seiner Rede stellte sich Kai Wegner selbst in große Fußstapfen. Er verwies auf den großen Nachkriegs-Bürgermeister Ernst Reuter und dessen berühmten Appell an die Völker der Welt: „Schaut auf diese Stadt“. Während Reuter 1948 angesichts der Bedrohung West-Berlins durch die Sowjetunion die Solidarität mit dem Freiheitskampf beschwor, denkt Wegner in kleineren Dimensionen.
Die Welt sollte auf Berlin schauen, weil die Stadt Wahlen abhalten könne, Radwege nicht nur gebaut würden, um Autofahrer zu terrorisieren, „Made in Berlin“ einen guten Ruf genieße und jedes Kind einen Schulplatz bekomme. Das sind ehrenwerte kommunalpolitische Anliegen, jedoch keine große Vision. In seiner mehr als einstündigen Rede lieferte der Regierende keine solche Vision.
Angesichts der realen Lage in vielen Ämtern, der mangelnden Digitalisierung, der komplexen Strukturen und des Personalmangels – von Verkehrsplanern bis zu Sozialarbeitern – ist es ambitioniert, hohe Maßstäbe für das tägliche Handeln seines Senats zu setzen.
Wegner muss nun nach vielen Ankündigungen in den kommenden Monaten wirkliche Verbesserungen erreichen, die von den Menschen wahrgenommen werden. Dies betrifft nicht nur die Brennpunkte Görlitzer Park und Leopoldplatz, sondern auch die Bürgerämter, Planungsabteilungen, Krankenhäuser und maroden Schulen.
Wenn alles gut läuft, kann Wegner die Aufbruchsstimmung nutzen, die er in der gesamten Stadt spürt. Bisher verfolgt Wegner einen klugen Umarmungskurs, der vor allem für den Koalitionspartner SPD gefährlich werden könnte. Er betont das Soziale und die Armutsbekämpfung und konkurriert mit der SPD um den Titel der „Berlin Partei“. Die Begriffe Diversität, Vielfalt und Klimaschutz kommen Wegner so häufig über die Lippen, dass so manche Christdemokraten immer noch erstaunt sind. Doch wer Wahlen gewinnt, kann in der CDU immer auf breite Unterstützung zählen.
Aber die Schonzeit für den nicht mehr ganz neuen Mann im Roten Rathaus ist begrenzt. Wegner muss echte Erfolge an vielen Fronten vorweisen. Angesichts der angespannten Haushaltslage ist das nicht gerade einfach. Allein schon Geld für einen Zaun um den Görlitzer Park und mehr Sozialarbeiter am Leopoldplatz aufzutreiben, ist keineswegs trivial. Denn zunächst schauen die Berliner auf ihre Stadt und die Welt kommt in Form von Touristen und Zuwanderern vorbei.
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