Weltweit sind mehr als eine Milliarde Menschen stark übergewichtig. Die WHO spricht bereits von einer Epidemie und die Zahl der Menschen mit Adipositas nimmt weiter rasant zu. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche.
Übergewichtige Kinder haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Es kann zu Organschäden wie Leberverfettung, Gallensteinbildung sowie Herzkreislauferkrankungen kommen. Das übermäßige Gewicht belastet Knochen und Gelenke, was zu Arthrose und Rückenproblemen führen kann. Übergewichtige Kinder leiden häufiger unter Kurzatmigkeit, Schlafapnoe und Asthma. Etwa die Hälfte der fettleibigen Kinder leidet ihr gesamtes Leben lang an Adipositas. Je höher der BMI, desto höher das Risiko für eine schwere, lebensbedrohliche Krankheit.
Als Leitlinie zur Diagnose von Übergewicht dient seit Jahrzehnten der Body-Mass-Index. Forschende halten den Body-Mass-Index allein für kein brauchbares Maß für Übergewicht. Denn der BMI kann nicht zwischen Fett- und Muskelmasse unterscheiden und liefert keine Aussage über den Gesundheitszustand. Deshalb schlägt eine internationale Kommission alternative Diagnoserichtlinien für Adipositas vor, die auch Daten zum Körperfett und Taillenumfang berücksichtigen. Außerdem solle auf objektive Anzeichen und Symptome für einen schlechten Gesundheitszustand geachtet werden.
Die neuen Diagnoserichtlinien für Adipositas sollen auch klären, wann Übergewicht als Krankheit zählt. Dafür will die Kommission die unterschiedlichen Ausprägungen der Adipositas genauer definieren, für die unterschiedliche therapeutische Strategien erforderlich sind. Menschen mit präklinischer Adipositas bräuchten individuelle Strategien, um das Risiko für Erkrankungen zu verringern. Menschen mit klinischer Adipositas benötigten schnellen Zugang zu Therapien. Die neue Unterteilung könne eine rationale Zuweisung von Ressourcen und eine medizinisch sinnvolle und faire Priorisierung der verfügbaren Behandlungsoptionen erleichtern.
Die Vorschläge der Kommission stoßen in der Fachwelt auf ein geteiltes Echo. Viele begrüßen, dass die Definition von Adipositas hinterfragt und der Krankheitsbegriff erweitert wird. Andere Forschende halten auch die neuen Begrifflichkeiten für zu schwammig. Durch die vorgeschlagene Neudefinition würde die Anzahl adipöser Menschen in den Statistiken sinken. Dies würde fälschlicherweise so wirken, als ob sich das Übergewichtsproblem verringere. Außerdem würden weniger Übergewichtige eine Therapie von den Krankenkassen bezahlt bekommen. Die Diskussion über dem BMI sei „größtenteils akademischer Natur“. Schon heute würden bei Studien und vor allem bei der individuellen Einordnung eines Patienten nicht nur der BMI, sondern auch Begleiterkrankungen und Körperfettverteilung miterfasst.
Quelle:
Definition and diagnostic criteria of clinical obesity
https://www.thelancet.com/commissions/clinical-obesity