Die EU-Kommission hat beschlossen, die umstrittenen Handelsbeschränkungen für ukrainische Getreideprodukte aufzuheben. Damit stellt sich die Behörde gegen Forderungen aus EU-Staaten wie Polen und Ungarn, die zuvor selbst Beschränkungen für diese Einfuhren eingeführt hatten. Deutschland hatte diese Maßnahmen bereits in der Vergangenheit kritisiert und betont, dass Solidarität mit der Ukraine nicht nur versprochen, sondern auch gelebt werden müsse.
Die Reaktion aus Polen ließ nicht lange auf sich warten. Regierungschef Mateusz Morawiecki erklärte kurz nach der Bekanntgabe, dass Polen trotzdem an den Beschränkungen festhalten werde, da dies im Interesse der polnischen Landwirte liege. Obwohl die EU-Kommission immer wieder betonte, dass sie für die Handelspolitik in der EU zuständig ist, hatte Polen bereits seit Wochen mit eigenständigen Maßnahmen gedroht. Der Streit um die ukrainischen Waren ist in Polen sogar zum Wahlkampfthema geworden, da dort am 15. Oktober ein neues Parlament gewählt wird.
Auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban äußerte sich ähnlich wie Polen. In Bulgarien, Rumänien und der Slowakei gab es ebenfalls Kritik an den gestiegenen Einfuhren aus der Ukraine. Innerhalb der EU-Kommission sprach sich auch der polnische Agrarkommissar Janusz Wojciechowski für eine Verlängerung der Einschränkungen aus.
EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis betonte jedoch nach der Entscheidung, dass es derzeit keine Marktverzerrungen in den betroffenen Mitgliedstaaten gebe. Die bisherigen Beschränkungen hatten es Ungarn, Polen, der Slowakei, Rumänien und Bulgarien ermöglicht, den freien Handel mit Produkten wie Weizen, Mais, Raps oder Sonnenblumen aus der Ukraine auf ihren Märkten zu beschränken.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankte sich bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die Aussetzung der Handelsbeschränkungen. Er betonte die Bedeutung der europäischen Solidarität und forderte die Nachbarländer der Ukraine auf, in Kriegszeiten zu helfen. Sollten Entscheidungen der Nachbarländer gegen EU-Recht verstoßen, werde die Ukraine zivilisiert darauf reagieren, so Selenskyj.
Die Handelswege zwischen der Ukraine und den EU-Ländern wurden aufgrund der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg erweitert. Dies führte jedoch zu großer Konkurrenz für Landwirte in den östlichen EU-Ländern. Die EU-Kommission beschloss daher eine einheitliche Regelung und verlängerte die Beschränkungen bis zum 15. September. Nun wird erwartet, dass die Situation nicht mehr so dramatisch wird wie vor einem halben Jahr, als es große Verzerrungen gab.