Um 5.30 Uhr aufstehen, nach einer Runde Sport die Fragen des munteren Sohnes ebenso munter beantworten, bevor das Kind in die Schule und ich zur Arbeit gehe. Drei Wochen lang ist mir dieser Ablauf leichter gefallen als jemals zu vor. Zufällig waren es die drei Wochen, in denen ich komplett auf Alkohol verzichtet habe.
An einen Zufall glauben allerdings weder ich noch Helmut Karl Seitz, der Direktor des Zentrums für Alkoholforschung (CAR) in Heidelberg. Der Professor für Innere Medizin und Gastroenterologie ist sich sicher, dass sich in diesen drei Wochen bereits einiges in meinem Körper getan hat.
Dass ich noch vor dem Sohn, der ein ausgewiesener Frühaufsteher ist, geradezu aus dem Bett springe, könnte damit zusammenhängen, dass ich ohne Alkohol viel besser schlafen kann. „Alkohol aktiviert Katecholamine, zu denen auch das Adrenalin gehört. Dadurch kommt man nachts nicht richtig zu Ruhe.“
Kein Alkohol, keine Beschwerden
Schon nach einer Woche habe sich der Schlafrhythmus normalisiert, erklärt Seitz. Der Mediziner betont immer wieder, dass wir nicht von alkoholabhängigen Menschen reden, sondern von denen, die hin und wieder, aber durchaus regelmäßig trinken.
„Sie sind ja kein chronischer Trinker“, sagt Seitz mehrmals zu mir. Dass der Experte davon überzeugt zu sein scheint, freut mich so sehr, dass ich die Aussage unkommentiert lasse. Ich selbst war mir da nicht mehr ganz so sicher.
Die Abstinenz fiel mir allerdings überhaupt nicht schwer. Sicherlich auch deshalb, weil ich mich so wohl gefühlt habe. Abgesehen vom Schlaf normalisiere sich auch der Blutdruck, sagt Seitz. Alkohol treibe den Druck nach oben, Kopfschmerzen und Schwindel seien typische Symptome.
Wer auf Alkohol verzichtet, kann sich außerdem über eine bessere Verdauung freuen. „In den Zotten des Dünndarms befinden sich Eiweiße, die die Nahrung aufschlüsseln. Diese Eiweiße erholen sich relativ schnell“, sagt Seitz. Ohne weiter ins Detail zu gehen: Harmonie im Gastroinstinaltrakt macht das Leben durchaus lebenswerter.
Nicht zu vergessen: die Leber. Für unser Entgiftungsorgan ist der Verzicht auf Alkohol wie eine Art Wellnessurlaub. Denn Bier, Wein und Schnaps verfetten die Leber. Die Verfettung sei zunächst einmal nicht so schlimm, erklärt Seitz. Allerdings sei sie eben auch der erste Schritt auf dem Weg zur Leberverhärtung, der sogenannten Leberzirrhose.
Meine Leber lebt seit jeher still und unauffällig in meinem Innersten vor sich hin. Veränderungen konnte ich nicht spüren. „Egal, in welchem Stadium sich die Leber befindet, ob sie nur leicht verfettet ist oder schon eine fortgeschrittene Bindegewebsverhärtung vorliegt: Wenn Sie auf Alkohol verzichten, ist das immer gut für die Leber, immer. Sie wird sich erholen“, betont Seitz.
Kein Alkohol ist auch (k)eine Lösung
Ich erzähle, dass ich mein Fasten nach drei Wochen und ein paar Tagen gemeinsam mit einem Freund und einer Weinschorle gebrochen habe. Überraschenderweise fand ich das Gefühl des leichten Berauschtseins eher unangenehm als lustig. Und an Sport am nächsten Morgen um 5:30 Uhr war erst recht nicht zu denken.
„Die Stoffwechselprozesse, die den Alkohol abbauen, laufen bei Ihnen nicht mehr automatisch ab“, erklärt mir der Alkoholforscher. Der Metabolismus eines trainierten Trinkers weiß, was er zu tun hat, mein Stoffwechsel hatte nach der Alkoholpause hingegen Mühe, sich zu erinnern.
Seitz empfiehlt mir für zukünftige Wein-Abende das, was ich mir selbst jedes Mal mantraartig einzutrichtern versuche: Trink genügend Wasser! Alkohol dehydriert den Körper, die Durchblutung wird schlechter, die Kopfschmerzen sind garantiert.
Außerdem sollte ich mich an die empfohlene Menge Alkohol halten, klar. Ich wusste allerdings nicht, wie niedrig dieser Wert ist. Für Männer gilt, nicht mehr als ein viertel Liter Wein am Tag. Frauen dürfen nur die Hälfte davon trinken. Das ist nicht mal ein Glas!
Ich überlege deshalb, ob sich das Trinken überhaupt noch lohnt. Die nächste Runde Alkoholfasten wird bestimmt nicht lange auf sich warten lassen.