Wichtig zu wissen:
Die neue KI-basierte Screening-Methode erkennt in neun von zehn Fällen Brustkrebs im Stadium 1A. KI wird bereits weltweit als ergänzendes Instrument im Gesundheitswesen eingesetzt. Größere Studien sind erforderlich, um die ersten Ergebnisse der neuen Studie zu bestätigen.
Künstliche Intelligenz verbessert offenbar die Chancen, Brustkrebs zu erkennen – und so Behandlungsergebnisse für Patientinnen zu verbessern und Leben zu retten. Denn je früher Krebs erkannt wird, desto höher sind die Chancen, ihn zu besiegen.
KI-Algorithmen sind bei der Erkennung von Brustkrebs anhand von Röntgenaufnahmen so gut, dass sie in einigen Fällen sogar den Menschen übertreffen. Die britische Gesundheitsbehörde setzt bereits KI zur Analyse von Mammografien ein. So sollen Brustkrebsfälle erkannt werden, die von menschlichen Augen bisher übersehen wurden.
Zwar können die Algorithmen die Analysen beschleunigen, um vorhandene Tumorzellen zu erkennen. Aber Ärztinnen und Ärzte benötigen auch neue Methoden, um die sogenannten Marker für Krebs im frühesten Stadium zu erkennen und handeln zu können.
In einer Pilotstudie wurde nun eine Methode erprobt, bei der eine KI-basierte Blutuntersuchung Brustkrebs in sehr frühem Stadium identifizieren sollte. Die Studie, die im November im „Journal of Biophotonics“ veröffentlicht wurde, ergab: Brustkrebs im Stadium 1A wurde mit einer Genauigkeit von 90-100 Prozent erkannt.
Werden Krebserkrankungen bereits im Stadium 1A erkannt, haben Patientinnen eine viel höhere Überlebensrate, als wenn der Krebs erst in einem späteren Stadien diagnostiziert wird. Kleinere Tumore sind leichter zu behandeln, da sie auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt sind. Sie können leichter entfernt oder mit Bestrahlungen gezielt behandelt werden.
„Diese Studie ist ein Meilenstein auf dem Weg, Subtypen von Brustkrebs in sehr frühen Stadien mit hoher Genauigkeit zu identifizieren. Eine frühzeitige Krebsdiagnose rettet Leben – deshalb ist unsere Studie so wichtig“, sagt der Hauptautor der Studie, Kevin Saruni Tipatet von der University of Edinburgh in Großbritannien.
Tipatet betont jedoch, dass der Ansatz nur an 24 Patientinnen getestet wurde und nicht für den Einsatz in Krankenhäusern geeignet ist, solange die Ergebnisse nicht in größeren Studien bestätigt werden.
Herkömmliche Methoden der Krebserkennung beruhen bislang auf dem Nachweis von Markern eines Krebstumors selbst. Mit Hilfe einer Mammografie lassen sich Veränderungen im Brustgewebe erkennen, die auf Krebs hindeuten, und zwar oft, bevor Krebssymptome auftreten. Auch Biopsien, also Gewebeentnahmen, können die molekularen Signaturen von Krebszellen im Körper aufspüren.
Mit diesen Methoden wird Krebs im Frühstadium allerdings oftmals übersehen. Denn das sei „wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, so Tipatet im Gespräch mit der DW. „Die meisten Technologien konzentrieren sich darauf, diese Nadel zu finden, aber sie betrachten nicht das ganze Bild.“
Tipatets Studie dagegen verfolgt einen anderen Ansatz. Anstatt nach Krebsgewebe selbst zu suchen, sammelten die Forschenden Informationen darüber, wie der Körper auf den Krebs reagiert. Sie suchten gezielt nach „molekularen Fingerabdrücken“, die darauf hinweisen, dass der Körper Brustkrebs bekämpft.
Diese Fingerabdrücke stammen „vom Krebs selbst oder von den Körperzellen, wie dem Immunsystem, die den Krebs bekämpfen“, erläutert Tipatet. Sie zeigen bereits die allerersten Anzeichen von Brustkrebs im Stadium 1A im Millimeterbereich, die bei Mammografien oder Biopsien oft übersehen werden.
Die Forschenden entnahmen Blutproben von Patientinnen und analysierten sie mit einer Technik namens Raman-Spektroskopie, um Molekülmuster zu messen. Die Raman-Spektroskopie ist eine weit verbreitete Technik, die „allmählich ein großes Potenzial für die klinische Diagnose [vieler Krankheiten] zeigt“, so Jürgen Popp, Direktor des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien in Jena.
Die KI könne die Analyse unterstützen, so Tipatet. Als Ersatz für Krebserkennung durch Menschen sei sie aber nicht gedacht.
Popp sieht den Ansatz der Studie zwar positiv, verweist aber auf die geringe Stichprobengröße von nur 24 Patientinnen, die eine Verallgemeinerung der Ergebnisse einschränke. „Größere Studien sind für die Validierung des klinischen Nutzens und der Skalierbarkeit unerlässlich. [Aber] die hohe Sensitivität und Spezifität, die erreicht wurde, spricht für das Potenzial größerer Studien.“
Entsprechende Überlegungen gebe es bereits. Laut Studienleiter Tipatet ist bereits in Planung, „eine größere Studie durchzuführen und zu sehen, ob wir die Ergebnisse reproduzieren können.“
Tipatet zufolge zeigt aber bereits die aktuelle Studie: Die Raman-Spektroskopie in Verbindung mit künstlicher Intelligenz könnte eine neue Methode zur schnellen und hochpräzisen Erkennung von Brustkrebs in sehr frühen Stadien sein. Dies würde ein früheres Eingreifen ermöglichen und die Aussichten der Patientinnen verbessern.
Studienleiter Tipatet arbeitet bereits mit anderen Forschenden zusammen, um den neuen Ansatz auch bei anderen Krebsarten zu testen. „Wir untersuchen die so genannten „Big-Four-Krebsarten“: Lungen-, Darm-, Prostata- und Brustkrebs.“ Auf diese vier Krebsarten entfallen laut Tipatet etwa 50 Prozent der weltweiten Neuerkrankungen.
„Wir müssen uns intensiv um eine frühzeitige Erkennung bemühen. Das würde die Lebensqualität und die Überlebenschancen von Millionen von Menschen weltweit verbessern.“