Einleitung: Stand der Investitionen in Deutschland

In einem kürzlich stattgefundenen Treffen der Wirtschaftsbosse im Kanzleramt am 21. Juli bezeichnete Bundeskanzler Merz die bevorstehende „größte Investitionsoffensive seit Jahrzehnten“. Die eingeladenen Unternehmen planen, bis 2028 insgesamt 631 Milliarden Euro in die deutsche Wirtschaft zu investieren. Allerdings blieb die Einladung an kleinere und mittelständische Unternehmen aus, was zu kritischen Stimmen führte, insbesondere von Jens Boysen-Hogrefe, einem Konjunkturforscher des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Trotz dieser Auslassung zeigten sich Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Berlin vereint. Nur wenige Tage zuvor hatte Finanzminister Lars Klingbeil im Bundestag für Rekordinvestitionen von bis zu 115 Milliarden Euro plädiert. Diese Investitionen sind entscheidend, um der Wirtschaft die nötigen Impulse zu geben, denn ohne klare Politiksignale könnte sich der Investitionsschub schnell abschwächen. Christian Sewing, CEO der Deutschen Bank, betonte in einem Interview die Notwendigkeit für die Politik, mutige Schritte in Richtung struktureller Veränderungen zu gehen, um die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Investitionsgipfel: Symbol oder echter Fortschritt?

Kritiker des Investitionsgipfels sehen darin eine Rückkehr zu alten Strukturen und betrachten ihn als bloße PR-Aktion. In der „Süddeutschen Zeitung“ wurde auf die besorgniserregende Unterrepräsentation von Frauen bei der Veranstaltung hingewiesen, mit lediglich zwei weiblichen Teilnehmerinnen unter den prominenten Anwesenden. Diese Rückkehr zu einer eher nostalgischen Vorstellung von Wirtschaftsförderung findet in einem Kontext statt, in dem Deutschland ein signifikantes Investitionsdefizit aufweist, das seit Jahren besteht. Der neue FDP-Parteivorsitzende Christian Dürr kritisierte die Veranstaltung als „PR-Show“ und forderte von der Bundesregierung, die Standortbedingungen für alle Unternehmen in Deutschland grundlegend zu verbessern. Dabei skizzierte er besonders die Notwendigkeit, den Mittelstand zu entlasten und durch innovative Reformen einen Fortschrittsmotor zu schaffen.

Ursachen für die Investitionsschwäche

Laut KfW Research lagen die Unternehmensinvestitionen in Deutschland im dritten Quartal 2024 real um 6,5 Prozent unter dem Niveau von Ende 2019. Besonders besorgniserregend ist der Rückgang in den Bereichen Maschinen, Gebäude und Infrastruktur, die entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft sind. Im Gegensatz dazu zeigen Länder wie die USA und Teile Asiens eine rasche Erholung der Investitionen nach der Pandemie. Ein internationaler Vergleich belegt, dass Firmen in Frankreich, den USA und innerhalb der gesamten EU wieder mehr investieren, während Deutschland ins Hintertreffen geraten ist. Zwar sind die öffentlichen Investitionen seit 2019 leicht angestiegen, dennoch sind sie bei weitem nicht ausreichend. Die Qualität der Infrastruktur, einschließlich Straßen und digitaler Netze, verschlechtert sich weiterhin, was langfristige Nachteile für den Standort mit sich bringen kann.

Eine Analyse der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) legt nahe, dass hohe Energie- und Arbeitskosten sowie suboptimale wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen das Investitionsklima in Deutschland beeinträchtigen. DIHK-Außenwirtschaftschef Dr. Volker Treier warnte vor den Risiken eines Abwanderns von Unternehmen ins Ausland, wenn die Rahmenbedingungen nicht schnellstmöglich verbessert werden.

Erste Schritte: Gesetze für Investitionen

Vor kurzem verabschiedete die Bundesregierung ein Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm, das sogenannten Wachstumsbooster. Dieses Programm beinhaltet Regelungen wie degressive Abschreibungen für Maschinen und Geräte und eine planmäßige Senkung des Körperschaftsteuersatzes ab 2028. Ein weiterer Aspekt ist die Förderung von Investitionen in Forschung sowie die Abschreibung für betrieblich angeschaffte Elektrofahrzeuge. Dennoch empfinden viele Unternehmer die Maßnahmen als unzureichend und zu spät. Die Frage bleibt, ob die bisherigen Impulse ausreichen, um die Investitionsschwäche in Deutschland zu überwinden. Der Erfolg hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, darunter geopolitische Stabilität, Energiepreise und der digitale Fortschritt. Merz zeigt sich optimistisch und hebt hervor, dass Deutschland nach wie vor als attraktiver Investitionsstandort gilt.

In Zeiten steigender Zinsen und gedämpfter Binnennachfrage steht für viele Unternehmen die Frage im Raum, ob jetzt der richtige Moment für Investitionen ist. Dennoch könnte der Schritt ins Investment in zukunftsträchtige Bereiche wie Digitalisierung und Dekarbonisierung entscheidend sein, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Wachsende Märkte weisen positive Trends, insbesondere in den Bereichen Forschung und Software, auf.

Modernisierung des Standorts Deutschland

Eine grundlegende Erneuerung des Standorts Deutschland ist notwenig. Diese sollte nicht nur durch neue Slogans geschehen, sondern durch spürbare Verbesserungen für Unternehmer. Die gegenwärtige regulatorische Dichte wirkt in vielen Branchen hemmend. Genehmigungsverfahren sind oft langwierig, was den Bedarf nach einem effizienteren und besser organisierten Staat verdeutlicht. Digitalisierung kann hierbei als zentraler Hebel fungieren, um Abläufe zu beschleunigen und die Planungssicherheit zu erhöhen. Dr. Karsten Wildberger, der erste Bundesdigitalminister Deutschlands, bekräftigt das Ziel, optimale Rahmenbedingungen für ein wettbewerbsfähiges und innovatives Digitalumfeld in Deutschland zu schaffen.

Fazit: Der Weg zur Veränderung

Deutschland steht vor einem entscheidenden Wendepunkt. Die Schwäche der Investitionen in den vergangenen Jahren ist das Resultat politischer Askese und verpasster Chancen. Der Investitionsgipfel könnte den Auftakt zu einem Wandel darstellen, wenn er über bloße Symbolpolitik hinausgeht. Sowohl Politik als auch Wirtschaft sind gefordert, gemeinsam den Investitionsstau zu überwinden. Investitionen sind keine einseitige Bitte, sondern eine Schlüsselressource für alle, die den Standort und die Märkte aktiv mitgestalten wollen. Die Chancen sind vorhanden, jedoch bleibt die Zeit nicht stehen.